Die Kunst des Promptings – also die gezielte Eingabe von Anweisungen für KI-Systeme – ist eine Schlüsselkompetenz im Umgang mit Sprachmodellen. Doch nicht alle Prompts sind gleich. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über die wichtigsten Prompt-Arten, erklärt, warum „Boomer Prompts“ problematisch sind, und zeigt, wie man heute – nach dem Vorbild Schopenhauers – optimal mit Sprachmodellen interagiert.
Prompting bezeichnet die „Kunst“, eine (generative) Künstliche Intelligenz gezielt durch klare und präzise Eingaben (Prompts) zu steuern, um optimale Antworten oder Ergebnisse zu erhalten. Dabei können verschiedene Techniken wie Rollenbeschreibung, Schritt-für-Schritt-Anweisungen oder Beispielvorgaben genutzt werden, um die Qualität des generierten Outputs zu verbessern. Ein guter Prompt ist strukturiert, spezifisch und auf das jeweilige Modell abgestimmt, um Missverständnisse und ungenaue Antworten zu vermeiden.
Sprachkompetenz ist beim Prompting insofern entscheidend, weil präzise und gut formulierte Anweisungen die Qualität der KI-Antworten maßgeblich beeinflussen. Unklare oder vage Prompts führen oft zu ungenauen, oberflächlichen oder missverständlichen Ergebnissen. Wer sprachliche Nuancen, Struktur und Kontext gezielt einsetzt, kann die KI effektiver steuern und differenzierte, relevante Antworten erhalten. Besonders komplexe Aufgaben erfordern eine klare Ausdrucksweise, um Mehrdeutigkeiten zu vermeiden und präzise Informationen zu erhalten. Gekonntes Prompting ist also eine Form der digitalen Kommunikation, die durch Übung und bewusste Anwendung optimiert werden kann.

Prompts lassen sich demnach auf gewisse Weise mit Aphorismen vergleichen, denn beide leben von Präzision, Klarheit und Wirkung. Ein effektiver Prompt verdichtet eine komplexe Anfrage in eine klare Anweisung, ähnlich wie ein Aphorismus eine tiefe Einsicht in wenigen Worten vermittelt. Dabei kommt es darauf an, überflüssige Elemente zu vermeiden, eine klare Struktur zu wählen und die gewünschte Interpretation gezielt zu steuern. Wie ein Aphorismus durch sprachliche Feinheiten seine Wirkung entfaltet, beeinflusst auch die Formulierung eines Prompts, wie eine KI antwortet – ein Wort mehr oder weniger kann das Ergebnis erheblich verändern. Gutes Prompting erfordert deshalb Übung, Feinschliff und ein Bewusstsein für Sprache – genau wie das Verfassen treffender Aphorismen. Das wusste schon Schopenhauer:
Wie jedes Uebermaaß einer Einwirkung meistens das Gegentheil des Bezweckten herbeiführt; so dienen zwar Worte, Gedanken faßlich zu machen; jedoch auch nur bis zu einem gewissen Punkt. Ueber diesen hinaus angehäuft, machen sie die mitzutheilenden Gedanken wieder dunkler und immer dunkler. Jenen Punkt zu treffen ist Aufgabe des Stils und Sache der Urtheilskraft: denn jedes überflüssige Wort wirkt seinem Zwecke gerade entgegen. In diesem Sinne sagt Voltaire: l’adjectif est l’ennemi du substantif.
Arthur Schopenhauer (Ueber Schriftstellerei und Stil, §283)
Prompt Engineering ist die gezielte Gestaltung und Optimierung von Prompts, um Künstliche Intelligenz zu präzisen, relevanten und qualitativ hochwertigen Antworten zu führen. Dabei werden Techniken wie kontextbezogene Anweisungen, strukturierte Fragen und Beispielvorgaben eingesetzt, um das Modell effizient zu steuern. Regt ein Aphorismus zum Nachdenken an und lenkt die Wahrnehmung der lesenden Person, so steuert ein präziser Prompt die KI in eine bestimmte Richtung. Ein erfolgreiches Prompt Engineering berücksichtigt die Funktionsweise des jeweiligen KI-Modells und nutzt iteratives Testen und Verfeinern, um die bestmöglichen Ergebnisse zu erzielen. Auch hier ist eine Nähe zum Aphorismus zu erkennen.
Zwischenfazit: Gutes Prompting ist wie ein gut formulierter Aphorismus – je präziser, desto kraftvoller.
Zum besseren Verständnis sollen nun zunächst unterschiedliche Arten von Prompts genannt werden, bevor auf den Boomer Prompt eingegangen wird, den es zu vermeiden gilt. Am Ende folgt noch ein Blick auf Aphorismen.
1.1 Direkte Prompts (Simple Prompts)
Diese Prompts sind knapp formulierte Anfragen, oft als einzelne Frage oder Aufforderung:
- „Erkläre mir den Klimawandel in einfachen Worten.“
- „Schreibe eine kurze Zusammenfassung von Faust.“
🔹 Vorteil: Schnell und direkt.
🔹 Nachteil: Kann zu oberflächlichen Antworten führen.
1.2 Präzisierte Prompts (Specific Prompts)
Hier gibt man explizite Anforderungen an, um gezieltere Antworten zu erhalten:
- „Erkläre den Klimawandel in drei Absätzen und mit einer Metapher.“
- „Schreibe eine Zusammenfassung von Faust aus der Perspektive eines Schülers der 12. Klasse.“
🔹 Vorteil: Klare Erwartungen führen zu besseren Ergebnissen.
🔹 Nachteil: Erfordert mehr Nachdenken beim Formulieren.
1.3 Rollenbasierte Prompts (Persona Prompts)
Hier wird das Modell angewiesen, eine bestimmte Rolle einzunehmen:
- „Du bist ein Physikprofessor. Erkläre die Relativitätstheorie für Erstsemester.“
- „Als erfahrener Journalist schreibst du eine objektive Analyse zum Thema KI im Bildungsbereich.“
🔹 Vorteil: Fördert kontextbezogene Antworten.
🔹 Nachteil: Funktioniert nur, wenn die Rolle sinnvoll definiert ist.
1.4 Schritt-für-Schritt-Prompts (Chain-of-Thought)
Diese Prompts fordern das Modell dazu auf, seine Gedanken systematisch zu entwickeln:
- „Erkläre den Klimawandel Schritt für Schritt, beginnend mit den Ursachen.“
- „Löse diese Matheaufgabe und erkläre jeden Schritt: 345 × 12.“
🔹 Vorteil: Führt zu tiefergehenden Antworten und weniger Fehlern.
🔹 Nachteil: Kann zu längeren Ausgaben führen.
1.5 Zero-Shot Prompt
Ein Zero-Shot Prompt fordert die KI dazu auf, eine Aufgabe zu lösen, ohne vorherige Beispiele oder Muster. Die KI muss ihr vorhandenes Wissen nutzen, um die Anfrage zu beantworten.
- „Übersetze ‚Guten Morgen‘ ins Französische.“
- „Schreibe eine Kurzgeschichte über eine Katze auf dem Mond.“
🔹 Vorteil: Funktioniert gut bei Standardaufgaben, für die das Modell bereits trainiert wurde.
🔹 Nachteil: Bei komplexen oder kreativen Aufgaben kann die Antwort ungenau oder unerwartet sein.
1.6 Beispielbasierte Prompts (Few-Shot Prompts)
Statt einer einfachen Anfrage gibt man Beispiele vor, um das gewünschte Format zu verdeutlichen:
- „Übersetze den folgenden Satz ins Französische: ‚Guten Tag!‘ = ‚Bonjour!‘. Jetzt übersetze: ‚Wie geht es dir?‘“
🔹 Vorteil: Modelle erkennen das Muster und liefern passendere Antworten.
🔹 Nachteil: Erfordert Vorarbeit mit passenden Beispielen.
1.7 Multimodale Prompts
Für KI-Modelle, die Bilder und Text kombinieren können, sind Prompts nicht mehr nur textbasiert:
- „Beschreibe dieses Bild: [Bild hochladen]“
- „Gib mir eine Bildunterschrift für dieses Diagramm.“
🔹 Vorteil: Ermöglicht neue Anwendungen wie Bilderzeugung oder Bildanalyse.
🔹 Nachteil: Modellabhängig und noch in Entwicklung.
Was sind Boomer Prompts?
Der Begriff „Boomer Prompt“ bezieht sich auf unklare oder umständlich formulierte Anfragen, die oft ineffektiv sind. In einem Beitrag von The Decoder wird auf das No Go Boomer Prompt in den o-Serie-Modellen von ChatGPT näher eingegangen. Eine sehr lesenswerte Zusammenfassung liefert auch Martin Treiber im Beitrag What are Boomer Prompts? Ich habe mich selbst dabei ertappt, ziemlich Boomer zu sein, nutze aber aktuell auch noch ein etwas älteres Modell von ChatGPT ohne fortgeschrittenes Reasoning. Beim Reasoning geht es in bei KI in die Richtung, dass logische Schlüsse gezogen werden, es also nicht mehr notwendig ist, zu viel Kontext mitzuliefern.

Hier sind typische Merkmale von Boomer Prompts noch einmal zusammengefasst (in ein wenig übertriebener Form, ich gestehe), die es in den neuen Reasoning-Modell zu vermeiden gilt:
❌ Überhöflichkeit: „Bitte, wenn es dir nichts ausmacht, könntest du mir eventuell erklären, was KI ist?“
❌ Vages Wording: „Kannst du mir ein bisschen was über Klimawandel erzählen?“
❌ Unnötig kompliziert: „In einer hypothetischen Situation, in der ein Mensch sich für die Wissenschaft interessiert, wie könnte eine Erklärung von KI aussehen?“
👎 Problem: Solche Prompts führen oft zu generischen oder unscharfen Antworten.
✅ Besser: „Erkläre den Klimawandel in drei Sätzen.“
Wie sieht nun ein guter Prompt für aktuelle KI-Modelle aus?
Die neuesten Sprachmodelle profitieren von gut strukturierten Prompts. Ein optimaler Prompt ist:
✔ Klar und präzise – Vermeide vage Fragen.
✔ Strukturiert – Nutze Aufzählungen oder Schritt-für-Schritt-Anweisungen.
✔ Rollenspezifisch – Weise dem Modell eine passende Rolle zu.
✔ Explizit in der Ausgabeform – Erwähne z. B. „in drei Sätzen“ oder „als Tabelle“.
✔ Iterativ verfeinert – Falls die erste Antwort nicht passt, verbessere den Prompt.
Beispiel: Vom schlechten zum guten Prompt
❌ „Was ist künstliche Intelligenz?“
✅ „Erkläre künstliche Intelligenz in drei Sätzen für Zehntklässler.“
✅ „Erkläre KI in drei Abschnitten: 1. Definition, 2. Anwendungsbereiche, 3. Risiken.“
Dieses Beispiel stammt von ChatGPT 4o. Wichtig ist dabei: Schwafeln wir also nicht herum, kommen wir auf den Punkt. Seien wir Aphoristiker:innen und keine Boomer. Nur nicht zu höflich, nur zu nicht zu viel Information. Kein Small Talk, kein Getratsche. KI nimmt es uns nicht übel, wenn wir direkt und geradlinig auf den Punkt kommen und kurz und knackig sagen oder schreiben, was wir wollen. In den neuen Modellen – in den alten können wir ruhig noch ein wenig schwafeln und die KI darum bitten, unsere Prompts fein zu tunen. Und uns dafür bedanken, wenn wir das möchten. Nur Emojis sollten wir nicht nutzen, wie Martin Treiber feststellt. Generative KI ist kein Mensch. Generative KI ist eine Maschine.
Ein effektiver Prompt macht den Unterschied zwischen einer generischen Antwort und einer wirklich hilfreichen Antwort. Wer KI produktiv nutzen will, sollte sich mit den verschiedenen Prompt-Techniken vertraut machen – und vor allem die Boomer Prompts vermeiden und zu aphoristischem Stil greifen.
Aphorismen zum Einlesen
Wer sich in das Thema Aphorismus einlesen will, dem seien zahlreiche Werke ans Herz gelegt. Sucht man auf Aphorismen.de nach Kürze, dann gibt es 135 Seiten voller Aphorismen zum Thema Kürze. Auch die Seite Mach’s Kurz liefert schöne Beispiele. Eine Auswahl ist schwer, aber ein Einlesen lohnt sich. Auch wenn man bei dem einen oder anderen Beitrag die Quelle überprüfen sollte, denn es gibt auch eine Menge falscher Attribuierungen. So manches Zitat und so mancher Aphorismus wird berühmten Persönlichkeiten in den Mund gelegt. Gerald Krieghofer ist ihnen auf der Spur – auf seinem Blog Zitatforschung und in Buchform. Prädikat: lesenswert!

Hier mal eine Liste mit 10 bedeutenden Aphoristiker:innen aus unterschiedlichen Sprachen und Kulturkreisen sowie Jahrhunderten, die für ihre prägnanten, oft zeitlosen Gedanken bekannt sind:
- Georg Christoph Lichtenberg (1742–1799) – Meister der pointierten, oft ironischen Aphorismen über Gesellschaft, Wissenschaft und menschliches Verhalten. [Beispiele]
- Friedrich Nietzsche (1844–1900) – Philosoph, dessen Aphorismen oft tiefgründige Reflexionen über Moral, Macht und Wahrheit enthalten. [Beispiele]
- Oscar Wilde (1854–1900) – Berühmt für seine geistreichen und paradoxen Aphorismen über Gesellschaft, Kunst und das Leben.
- Marie von Ebner-Eschenbach (1830–1916) – Ihre klugen und oft scharfsinnigen Aphorismen behandeln menschliche Natur, Moral und Gesellschaft. [Beispiele]
- Nassim Nicholas Taleb (geb. 1960) – Zeitgenössischer Aphoristiker, bekannt für seine provokanten Einsichten über Unsicherheit, Risiko und menschliches Verhalten. [Beispiel]
- François de La Rochefoucauld (1613–1680) – Französischer Adliger, dessen Aphorismen (Maximen) oft die Eitelkeiten und Schwächen des Menschen entlarven. [Beispiele]
- Stanisław Jerzy Lec (1909–1966) – Polnischer Aphoristiker, der mit lakonischem Humor und Tiefgang Politik und Gesellschaft reflektierte.
- Baltasar Gracián (1601–1658) – Spanischer Jesuit, dessen Aphorismen über Taktik, Klugheit und Menschenkenntnis bis heute gelesen werden. [Beispiele]
- Simone Weil (1909–1943) – Philosophin und Mystikerin, deren Aphorismen existenzielle und gesellschaftliche Fragen behandeln.
- Karl Kraus (1874–1936) – Scharfer Kritiker von Sprache, Medien und Gesellschaft, dessen Aphorismen oft eine beißende Ironie besitzen. [Beispiele]
Diese zehn zeigen, dass Aphorismen nicht nur stilistische Spielereien sind, sondern oft tiefgründige Erkenntnisse in kompakter Form transportieren. Gerade Marie von Ebner-Eschenbach hat einen Aphorismus verfasst, der unsere aktuelle Zeit so treffend beschreibt, wie kaum ein anderer: „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“ Oder anders: Wenn wir nichts mehr wissen und uns auf Informationen gefunden im Internet oder generiert von einer KI verlassen müssen, weil wir wir deren Inhalte nicht auf Relevanz, Aktualität und Korrektheit überprüfen können, dann – frei übersetzt – we have the salad, weil nothing in butter… Understand you?