Ich durfte letzte Woche an der eEducation Sommertagung 2015 unter dem Titel Building Bridges – Creating Networks teilnehmen und für die Tagung auch aktiv einen Workshop im Open Space halten. [eine persönliche Nachlese er Tagung folgt natürlich]. Das Thema des 45-Minuten-Workshops lautete MOOCs in der Schule? Hype? Fail? Success? und ich hatte mir zum Ziel gesetzt, die Frage nach der Eignung von MOOCs für den Einsatz in der Schule zu beantworten.
tl;dr: MOOCs werden gehypt und sind auch in der Schule als Thema angekommen. Dort entscheidet die didaktische Einbettung und Gestaltung, ob sie zum Erfolg oder Misserfolg werden.

Rund um das Thema MOOCs herrscht ein HYPE. Und das schon länger. Das steht außer Frage. Dabei wird immer wieder gerne darüber diskutiert, ob MOOCs die Schule und Hochschule ersetzen können, ob sie das geeignete Tool zur Ausbildung oder eher zur Fortbildung im Sinne des Lifelong Learning sind oder eigentlich nur ein kurzer Hype, der sicherlich wieder verschwindet. Dabei wird dann diesem Kursformat wieder vorgeworfen, dass die Anmeldezahlen zwar massive seien, dass aber die Abschlussquoten eher bescheiden ausfielen und dass das Lernen im virtuellen Raum auch eine schwierige Sache sei. Das Thema ist also in aller Munde – auf unterschiedlichen Ebenen wie der ökonomischen, der politische, wissenschaftlichen, sozialen und auch der bildungstheoretischen. Didaktische Designs werden für MOOCs entworfen, die u.a. dazu beitragen sollen, dass die Teilnehmer*innen möglichst lange dabei bleiben und die Kurse möglichst auch abschließen.
Und das ist auch gut so. Es ist gut, dass die Kurse ein didaktisches Design haben, dass sie einen roten Faden und eine Struktur aufweisen, die der Zielgruppe entsprechen (so man diese in einem MOOC überhaupt voraussagen kann). Und es ist auch gut, dass das Thema MOOC mittlerweile auch in die Schulen überschwappt. Vorletzte Woche erschien dazu ein Artikel von André J. Spang (@tastenspieler) mit dem Titel Aus der Praxis: MOOCs in Schulen – eine gute Idee?! Darin berichtet er von einer Mini-Studie, die er unter Schüler*innen durchführte und die das Ergebnis lieferte, dass sich Schüler*innen auch in den Ferien mit MOOCs beschäftigen würden, weil es ihnen um den Wissensgewinn und nicht das Erreichen von Badges oder Teilnahmebestätigungen gehe. Als Themen können sich die Schüler*innen dabei sehr viel vorstellen. So schreibt André J. Spang:
Die Lernenden wünschten sich eine klare Themenvorgabe für den MOOC. Entweder zur Vertiefung von schulischen Themen, zur Vorbereitung auf Klassenarbeiten und Prüfungen oder auch ein Thema, das im „normalen“ Schulunterricht nicht vorkommt wie Prävention, Webliteracy, Games, Coding, Musik, Gesellschaftspolitik und verschiedene Hobbies.
Aus der Praxis: MOOCs in Schulen – eine gute Idee?! von André J. Spang | CC BY-SA
Gleichzeitig geht er auch auf die technischen Hindernisse oder allgemein Stolpersteine in der Realisierung bzw. der (erfolgreichen) Absolvierung von MOOCs ein. Und endet schließlich damit, selbst einen MOOC machen zu wollen und dafür Mitstreiter/innen zu suchen. Schließlich haben MOOCs ein hohes Potential für unterschiedliche Lehr- und Lernkontexte, bieten multimediale Lehr- und Lernunterlagen an, die Lernen in kleinen Happen ermöglichen.

Und André J. Spang hat absolut Recht. Es ist gut, Mitstreiter/innen zu suchen, denn das Produzieren eines MOOCs als Einzelperson ist – neben der Arbeit in der Schule – nur schwer möglich, bis beinahe unmöglich. Darüber hinaus bringen kollaborative Arbeiten ein Mehr an Ideen und Perspektiven, erweitern somit den Erfahrungsraum und auch die thematische Ebene. Und es ist gut, MOOCs in die Schule zu bringen, denn gerade für die Bewältigung eines MOOCs braucht man spezifische Kompetenzen, die auch später an der Hochschule und allgemein im lebenslangen Lernen äußerst hilfreich sein können, wie der Autor richtigerweise schreibt:
Hier genau liegt auch ein Knackpunkt der MOOCs, denn freies, selbstgesteuertes Lernen und Partizipation ist eine Lernkultur, die im schulischen Bildungskontext nicht forciert wird. Um in einem MOOC aber erfolgreich zu partizipieren und nicht einer der vielen sogenannten „Lurker“ zu sein, die eher still mitlesen und konsumieren, müssen selbstgesteuerte Lernkompetenzen, Kommunikationsbereitschaft, Kreativität aber auch kritisches Hinterfragen gefordert und gefördert werden. (Aus der Praxis: MOOCs in Schulen – eine gute Idee?! von André J. Spang ist lizenziert unter CC BY-SA.)
MOOCs sind also auf unterschiedlichen Ebenen für die Schüler/innen und Lehrer/innen interessant, das hat auch der Workshop gezeigt. Es geht in einer ersten Ebene gar nicht darum, selbst MOOCs zu produzieren. André J. Spang ist da schon viel weiter. Es geht auf einer unteren Ebene, quasi als Einstieg, darum, MOOCs im Unterricht einzusetzen – oder zumindest Materialien aus MOOCs, so die rechtliche Ebene es zulässt (Stichwort: offen bzw. OER). Mit MOOCs und ihren Videos ist es einfach, sich Expert*innen ins Klassenzimmer zu holen. Es ist im Sprachunterricht möglich, mit Natives in Kontakt zu treten, einen authentischen Sprechanlass zu kreieren und Lerner*innen in einem MOOC-Forum z.B. eine Frage stellen oder Postings anderer kommentieren zu lassen. Das Klassenzimmer wird geöffnet. Also Beispiel ist der MOOC Österreich und die Europäische Union zu nennen, der jetzt im Herbst starten wird und speziell für den Einsatz in der Schule konzipiert wurde. In diesem MOOC kommen jene Politiker*innen zu Wort, die damals, vor 20 Jahren, als Österreich Mitglied der EU wurde, eine wichtige Rolle spielten. Die eine oder andere Anekdote, wie sie in traditionellen Schulbüchern nicht zu finden ist, wird dabei mitgeliefert. Und das alles als ergänzendes Material zum Schulbuch oder anderen Medien. Hier ein kleiner Einblick:
Begabte können mit diesen Materialien ebenso gefördert werden, wie eher Lernschwache. Für die einen gibt es zusätzliche Materialien zum Vertiefen ihrer Kenntnisse oder zur Weiterbeschäftigung mit einer Thematik. Vielleicht passt für ein Wahlpflichtfach Biologie der MOOC Krankheiten selbst bestimmen mit dem Internet, kurz Dr. Internet? Hier wird das Recherchieren von Krankheiten im Zentrum stehen und die Frage, wann man sich an Ärzt*innen wenden sollte und wann man auch im Internet Rat suchen kann. Man lernt nicht nur über Krankheiten, sondern auch zusätzliche Recherchekompetenzen und auch das Einschätzen von Situationen, des Gehalts von Quellen und Ähnliches wird trainiert.
Für die anderen kann das Material auch quasi die Mindestanforderung in einem Fach verdeutlichen oder kompakt zur Verfügung stellen. Also Beispiel der MOOC Jetzt geht’s rund: Der Kreis – Einfache Konstruktionen für Anfänger (5. Schulstufe). Nehmen wir an, in der 6. Schulstufe wird der Kreis als Thema wiederholt, um anschließend mit dem Zylinder weiterzumachen (nur als Beispiel – keine Ahnung, wie der Mathematik-Lehrplan genau aufgebaut ist). Man könnte also die Materialien aus dem Kreis-MOOC heranziehen, um zu sagen: Das ist die Basis, die wir brauchen, um fortfahren zu können. Schaut euch die Videos an, macht die Übungen und wiederholt das Basiswissen.

Zum anderen können MOOCs auch zusätzliche Materialien bereitstellen, für Themen beispielsweise, die im Lehrplan so vorgesehen sind oder in den Bereich der überfachlichen Kompetenzen fallen. Hier zum Beispiel ein Thema, das auf der eEducation Sommertagung 2015 ebenfalls – nämlich in einer Podiumsdiskussion – diskutiert wurde: Hasspostings. Der Umgang mit öffentlich gezeigtem Hass und veröffentlichten Hasspostings ist ein wichtiger Punkt der Medienerziehung (und nicht nur dieser). Es ist allgemein wichtig, mit Medien und Social Media umgehen zu können. An anderer Stelle hatte ich mich zu diesem Thema bereits geäußert. Und auch hier können MOOCs wiederum eine entscheidende Hilfe leisten. Als Beispiel sei der MOOC Soziale Medien & Schule: für wen, wieso, wozu? genannt. Dieser beleuchtet das Thema Social Media aus unterschiedlichen Perspektiven (sowohl von Expertinnen und Experten als auch Schülerinnen und Schülern) und bringt Themen wie Cybermobbing, Datenschutz, Urheberrecht und Netiquette ebenso zur Sprache wie einen Definitionsversuch von Social Media und einen Überblick über die breite Vielfalt. Wissen Sie, was ein Ego-Poster ist? Im Social Media-MOOC wird die Antwort verraten 😉

MOOCs können aber gerade auch für Lehrer/innen eine wichtige Lernressource sein. Es gibt zahlreiche Themen, die aus unterschiedlichen Gründen für Lehrende interessant sein können. Es gibt natürlich immer die inhaltliche Ebene, um quasi in einem Themengebiet auf dem Laufenden zu bleiben. So wie beispielsweise im Bereich E-Learning & Recht. Der gleichnamige MOOC startet im November 2015 und wird sich mit allgemeinen Aspekten der Thematik ebenso beschäftigen wie mit spezifischen Änderungen, die die Urheberrechtsnovelle bringt. Es gibt für Lehrende aber auch die Möglichkeit, sich in neue Bereiche einzuarbeiten – so zum Beispiel im MOOC Graz – die smarteste City Österreichs. Hier wird Graz beispielsweise aus Sicht der Stadtsoziologie betrachtet und es wird geklärt, wem die Stadt denn nun eigentlich gehört. Hier wird Graz auch als Stadt der Weltraumforschung und der nachhaltigen Mobilität vorgestellt.

Die Beispiele zeigen, dass sich MOOCs und ihre Materialien auf vielfältige und sinnvolle Art und Weise in den Unterricht integrieren lassen – als Ergänzung, als eigenständiges Material, als Nachschlagewerk. MOOCs sind also sicherlich auch ein SUCCESS. Hier dazu ein Erfahrungsbericht.
Doch werden sie zum FAIL, wenn man sie als Stand-Alone-Lösungen einsetzen will. MOOCs und ihre Materialien sind wie alle anderen Medien Lehr- und Lernressourcen, die einer didaktischen Einbettung in das Klassenzimmer bedürfen. Sie bieten die Möglichkeit der Partizipation, der Kommunikation und Interaktion. Dafür aber müssen sie vor- und nachbereitet werden. Ob sich das didaktische Modell am Setting eines Flipped oder Inverted Classrooms orientiert, oder weiterführende Aufgaben an die MOOC-Ressourcen angeknüpft werden, wie beispielsweise separate Lernzielkontrollen, Arbeitsaufträge in einer Lernplattform, gelenkte und moderierte Forendiskussionen, Quellenkritik u.v.m., spielt keine Rolle. Wichtig ist die Wiederaufnahme und Thematisierung im Unterricht. Wir kennen das: Werden Leistungen und Arbeitsaufträge nicht überprüft, sinkt oftmals die Motivation, sie überhaupt oder weiterhin auszuführen. [Intrinsisch Motivierte sind natürlich ausgenommen.] Jedenfalls sollten wir uns von dem Gedanken verabschieden, dass MOOCs immer auch das Ganze meinen. Viele Lerner/innen picken sich aus MOOCs jene Elemente heraus, die für sie im Speziellen interessant sind. Sie melden sich für den Kurs an, ohne je vorgehabt zu haben, den Kurs zu „beenden“. Sie interessieren sich für eine Einheit, ein Video oder eine Sequenz… Vielleicht können Badges helfen, dieses spezifische Lerninteresse auch sichtbar zu machen. Dazu mehr in diesem Blogpost.
Aber vielleicht wollen die Lerner*innen das gar nicht (siehe Artikel von André J. Spang). Vielleicht sind wir mit dem Sichtbarmachen einfach schon zu verkrampft? Oder wann wünschten Sie sich das letzte Mal einen Badge, weil Sie ein Buch gelesen oder eine Dokumentation angesehen hatten?