Tools, Tools, Tools: (k)eine Toolparade

Jedes Jahr fragt Jane Hart nach den liebsten Tools. Die Community antwortet. Warum es sich dabei um keine Toolparade handelt.

Sie können gleich zu Beginn die Arme verschränken, die Nase rümpfen oder eine Augenbraue hochziehen (wenn Sie das können) und mit rollenden Augen feststellen, dass Toolparaden entbehrlich/übertrieben/out/blöd/sinnlos/eine Frechheit sind. Didaktik vor Technik, Lernziele vor Werkzeug – ich stimme Ihnen bedingt zu. Es geht nicht um ein VOR und ein WÄHREND oder ein NACH, sondern um ein Miteinander. Das ist auch am TPACK-Modell schön zusehen – es geht um Schnittmengen:

TPACK model by Alan Parkinson | CC BY-NC 2.0

In dieser Schnittmenge ist eine sinnvolle (unter einem weiten Verständnis von „Sinn“) Verwendung von Technologien (in einem weiten Begriffsverständnis, nicht auf digitale Medien beschränkt) angelegt. Darum geht es. In der Auswahl geht’s um die Berücksichtigung unterschiedlicher Rahmenbedingungen, unter anderem der kognitiven Belastung. Und meine kognitive Belastung ist bei vielen Toolparaden einfach (zu) hoch. So geht’s mir beispielsweise, wenn ich das Padagogy Wheel mit seinen Empfehlungen sehe:

(Quelle ist in der Graphik ersichtlich, hier direkt zum Anklicken)

Es wird als „Hilfe zur Auswahl der passenden App“ vorgestellt und ich bin mir nicht sicher, ob das so eine Hilfe ist. Vielleicht fehlt es an zusätzlichen Informationen, wie sie in La Rueda del DUA_V3 2022. Actualización de recursos para derribar barreras a la participación geliefert werden. Mich jedenfalls erschlägt das Angebot und als Brillenträgerin ist mir die Größe auch, nun ja, zu klein. Ich schreib grad selbst an einem kritischen Beitrag zum SAMR-Modell und wieso es keine Handlungsanleitung ist und warum es nicht zu einer Verbesserung von Unterricht führt, wie in diesem Beitrag beispielsweise beschrieben.

Jane Harts Nicht-Toolparade

Das klingt jetzt etwas holprig, aber bei Jane Harts Liste geht’s nicht um eine Beschreibung toller Tools, die super effektiv oder sogar effizient sind und die immer funktionieren und sowieso und überhaupt die allerbesten sind.

  • Bei Jane Hart geht es um eine Liste eingesetzter Tools. Über die Qualität wird nichts ausgesagt: Top 100 Tools for Learning 2022 Was aber gemacht wird, ist eine Trennung in Personal Learning, Workplace Learning und Education. Das mag auf den ersten Blick stutzig machen, ergibt aber insofern Sinn, als die befragte Gruppe sehr heterogen ist und aus unterschiedlichen Lernsettings kommt.
  • Zudem gibt es in der Analysis 2022 einen kurzen Vergleich zu Veränderungen im Vorjahr, die thematisch zusammengefasst ist und einen schönen Überblick liefert (auch mit einer angedeuteten Interpretation oder Diskussion der Entwicklung).
  • Zur leichteren Orientierung lassen sich die Tools auch nach Kategorien suchen und wenn man auf A-Z klickt und dann ein Tool auswählt, sieht man die Entwicklung von 2007 bis 2022. Hier wird deutlich, welche Tools es nicht mehr gibt, welche umbenannt wurden und welche Tools sich wie etabliert haben.

Wieso ich Jane Harts Liste schätze?

Ich bin ein neugieriger Mensch und es ist für mich durchaus interessant zu sehen, welche Tools von anderen Menschen eingesetzt werden. Wenn etwas spannend klingt, dann recherchiere ich oder befrage Twitter – wo ich im Übrigen ständig neue Ideen bekomme (sowohl für Tools als auch für methodische Möglichkeiten). Heute beispielsweise passend zum letzten Beitrag über Artificial Intelligence ein Tweet von Philippe Wampfler:

Das klingt schon mal spannend, ist anders und hat (vielleicht) Potential. Vielleicht leidet es aber auch an den im letzten Blogbeitrag genannten AI-Problemen. Ich werde es bald selbst herausfinden.

Entscheidungshilfe

Jedenfalls finde ich einfach die Sammlung an sich einfach eine Bereicherung. Sie hilft mir, wenn ich Lehre oder Fortbildungen plane, bei der Auswahl von Tools. Das ist jetzt kein Widerspruch. Ich kenne meine Zielgruppen in Fortbildungen oftmals nicht ausreichend und es ist immer schwierig – vor dem Hintergrund einer Minimierung der Extraneous Load – das Vorwissen zu „erraten“. Diese Liste gibt mir einen Anhaltspunkt, welche Tools von vielen Menschen genannt und genutzt werden. Diese kann ich vorsichtig voraussetzen – zumindest in Hinblick auf das Hörensagen.

Zudem empfehle ich nur Tools, die sich etabliert haben und bei denen man davon ausgehen kann, dass sie nicht in kurzer Zeit wieder weg von der Bildfläche sind. Dieses Kriterium lege ich in Fortbildungen auch gerne offen und zeige hierfür den Bereich A-Z, in dem die Entwicklung der Tools (im Hinblick auf die Platzierung Harts Liste seit 2007) visualisiert wird. Auch hier habe ich keine Ahnung, wie etwas genutzt wurde und wird. Die Visualisierung zeigt nur, dass das Tool genutzt wurde.

Meine Hausaufgabe

Dieser informative Aspekt ist für mich wichtig. Die Art und Weise, wie Tools zum Lernen und Lehren eingesetzt werden (können), überlege ich mir selbst oder erfahre ich im Austausch mit Kolleg*innen oder | und Studierenden. Das ist meine Hausaufgabe als Didaktikerin (egal ob davor ein Fach- oder Medien- steht – nur die Brille ist eine andere). Und das macht meinen Beruf auch so spannend.

Wenn ich ehrlich bin, dann habe ich bei längerer Betrachtung der Graphik der Top 100 Tools, die, während ich schreibe, auf meinem zweiten Bildschirm offen ist (ich lobe mir meine Blind-Schreib-Kompetenz), schon wieder ein paar Logos gesehen, die ich recherchieren will (weil ich sie nicht kenne), die ich ausprobieren will (weil ich sie kenne und doch nicht kenne) und einige, die ich selbst auch nutze.

Quelle: Pixabay

Jane Harts Liste ist deshalb deskriptiv. Sie ist weder normativ noch präskriptiv. Und darf auch nicht so gelesen werden.

Nicht zu vergessen, aber: Wie so oft ist das eine Liste und Listen stellen eine Auswahl dar. Wer sich nur an dieser Liste orientiert, lebt im Gestern und im Heute. Als Didaktikerin muss ich aber auch den Blick nach vorne wagen, visionär und innovativ sein. Ich kann mir also neue Methoden für die Tools ausdenken. Ich kann aber auch neue Tools suchen und den Hype abwarten, bevor sie wirklich empfehlungstauglich sind.

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