Elektronische Prüfungen sind was Feines. Man hat zwar sehr viele und zeitraubende Vorbereitungen, aber die Nachbereitung beschränkt sich auf einige Klicks. Und durch die vorkonfigurierten Computerräume und die Unmöglichkeit einen zweiten Browser zu öffnen, ist auch die Prüfungsaufsicht viel entspannter als man meinen mag. Und so bleibt viel Zeit, die Studierenden in dieser Prüfungsphase zu beobachten. Und nach so einigen Durchgängen möchte ich meine Eindrücke nun auch im Blog aufschreiben – einfach, weil ich einiges dadurch gelernt habe. Und so haben die Prüfungen auch für mich einen sehr interessanten Aspekt parat – mit gewissem Lerneffekt.
Hier also meine (überspitzten , aber im Kern wahren) Beobachtungen (die sehr verallgemeinernd sind – ich will nicht ALLE in einen Topf werfen, es gibt auch Ausnahmen):
Hallo, Tschüss, Hi und Baba sind Äquivalente zu Grüß Gott, Guten Tag oder Auf Wiedersehen!
Anfangs fand ich es ja noch befremdlich, wenn mich Studierende mit Hi, Hallo oder Tschüss Baba begrüßten oder sich verabschiedeten. Mittlerweile lächle ich sie nur mehr entwaffnend an. Zu meiner Zeit hätte es das nicht gegeben, also ehrlich. Liegt es an meinem Alter? Sehe ich aus wie eine Studienassistentin, die man freund(schaft)lich kolloquial adressiert? Oder ist es einfach der neue Umgangston? Ich weiß es nicht, aber ich bin schon froh, wenn sie überhaupt was sagen…
Grüßen ist nicht mehr „in“!
Ja, das ist die zweite ernüchternde Beobachtung. Ich kontrolliere am Beginn der Prüfung die Studierendenausweise und gleiche die Namen und Gesichter mit meiner Teilnehmer/innen-Liste ab. Dafür betreten die Studierenden nacheinander den Hörsaal. Und einige grüßen auch. Nicht alle. Weniger aber verabschieden sich beim Gehen. Sie müssten ja gar nichts sagen, nur in meine Richtung blicken, kurz nicken. Oder so ähnlich. Zu meiner Zeit war das noch so… Und ich freue mich über diejenigen, die es tun.
Grüßen ist keine Frage des Alters, des Geschlechts oder ähnlicher Kriterien!
Man könnte jetzt meinen, dass die älteren Studierenden eher grüßen als die jüngeren oder umgekehrt, Frauen vielleicht häufiger als Männer oder umgekehrt. Aber nichts da… Es gibt kein Muster. Es wird einfach kaum gegrüßt und verabschiedet.
Trampeln, Trippeln und Schlurfen sind anerkannte Fortbewegungsformen!
Sie kennen die Situation. Studierende, die mit ihrer Klausur fertig sind, packen ihre Sachen nicht leise, stehen nicht geräuschlos auf und schleichen ebenso wenig auf leisen Sohlen und leichtfüßig aus dem Prüfungssaal. Nein, der Abgang wird vielerorts beinahe zelebriert. Möglichst lautes Schlurfen, Trampeln oder das gekonnte Einsetzen von Stöckelschuhen sind da beinahe Pflicht. Also zu meiner Zeit versuchten wir noch, Geräusche zu vermeiden, waren durch das Auf- und Zumachen des Zippverschlusses schon peinlich berührt…
Studierendenausweise sind Verbrauchsgut!
Oder zumindest nicht wirklich wichtig, denn sie werden in den Sälen ständig vergessen. Vielfach hat es damit zu tun, dass sich die Studierenden ihre Matrikelnummer nicht merken können und die Karte deswegen neben dem Computer liegen bleibt, um sich bei der Anmeldung (für die die Matrikelnummer notwendig ist) leichter zu tun. Gut, das sind auch immerhin 7 Ziffern und man braucht sie ja auch fast nie. Also zu meiner Zeit mussten wir die Zeugnisse noch ausfüllen und schrieben unsere Matrikelnummern beinahe ständig auf das eine oder andere Formular. Aber gut, damals konnten wir auch noch die wichtigsten Telefonnummern auswendig und waren ohne Smartphone nicht verloren. (All diejenigen, die alles in der Cloud speichern, mögen mir verzeihen. Ihr habt ja ein Backup.)
Studierendenwohnungen haben keine Türen, sondern nur (Faden-)Vorhänge!
Das ist für mich die einzige logische Erklärung, wieso so viele schlichtweg darauf vergessen, die Türe hinter sich zu schließen, wenn sie den Prüfungsraum verlassen. Und das ist durchaus kein Einzelfall. Und an der Angst, die Türe nicht leise schließen zu können, liegt es ja wohl nicht (siehe Punkt: Trampeln).
Vibrier-klingelnde Handys gehören prinzipiell niemandem!
Ich sage jedes Mal vor der Prüfung an, dass die Studierenden ihre Handys a) auf lautlos und b) lautlos ohne Vibrieren schalten sollen. Und nun raten Sie mal, was jede Klausur mindestens einmal vibrier-klingelt? Und komischerweise sind das dann immer herrenlose Exemplare, die bis zum Ende vibrier-klingen, weil sich niemand um sie kümmert (kümmern will). Hätte ich mich nie getraut. Aber die damaligen Handys waren in ihren Funktionalitäten auch beschränkt. Also wir konnten SMSen und telefonieren, fotografieren und Sprachaufnahmen mit dem Diktiergerät machen. Das war’s dann auch schon.
Tratschen ist erlaubt!
Naja, zumindest glauben die Studierenden, es probieren zu müssen. Also während der Klausur. Und sie tauschen sich dabei nicht über das Wetter aus. Lustig, denn die Prüfungsräume sind schalltechnisch so gebaut, dass man nicht nur den/die Vortragende/n gut nach hinten hört, sondern tratschende Studierende auch gut nach vorne. Aber diesen Perspektivenwechsel machen die Studierende nicht durch, deswegen muss man sie da dann schon mal drauf hinweisen.
Und was mich am ALLERMEISTEN stört:
Abmelden wird überbewertet!
Es ist vollkommen egal, ob die Warteliste überlang ist oder nicht. Wenn man mal einen Prüfungsplatz hat, dann hat man ihn. Und man entscheidet spontan, ob man ihn wahrnimmt oder nicht. Oder so ähnlich. Ich finde es ist eine absolute Unart, wenn 30-50% der Studierenden einfach nicht kommen. Ohne Abmeldung. Ohne Information. Ohne elektronische Prüfung war das einfacher. Da gab man übrig gebliebene Prüfungsbögen einfach an all jene, die auf der Warteliste standen und auf gut Glück zur Prüfung kamen. Das geht nun aber nicht mehr. Die Prüflinge werden vor der Prüfung in das System überspielt. Ein spontanes Ändern ist leider nicht möglich. Und so kann es passieren – und tut es auch oft –, dass Studierende abgewiesen werden müssen, obwohl freie PC-Plätze vorhanden wären. Weil einfach Kolleginnen und Kollegen nicht erschienen sind. Und da hilft auch das Sperren für den nächsten Prüfungstermin nur wenig. Ist es so schwierig, sich innerhalb der Frist abzumelden oder der LV-Leitung ein Mail zu schreiben, sodass Studierende der Warteliste nachrücken können? Ehrlich, ich verstehe diese Haltung nicht.
Vielleicht haben die einen ähnliche Erfahrungen, die anderen aber absolut abweichende? Es würde mich schon interessieren, ob nur ich es so wahrnehme, oder ob sich die Zeiten einfach ändern. Angemessene Manieren sind in meinen Augen wichtige Grundvoraussetzung für ein gemeinsames Arbeiten, ein gutes Gruppenklima, einen respektvollen Umgang miteinander. Die Studierende, die ich beobachte, sind alles angehende Akademiker*innen. Ist es zu viel verlangt, ein paar Grundregeln der Höflichkeit zu beherrschen und zu beachten?