Zurzeit läuft ja gerade eine von Christian Ebel initiierte Blogparade unter dem Titel Mit digitalen Medien besser lernen? Welche Erfahrungen habt ihr gemacht? Ich nehme nicht ausdrücklich an dieser Parade teil, möchte aber doch ein paar durch die Beiträge inspirierte Gedanken loswerden, die mich gerade beschäftigen – oder eigentlich schon länger beschäftigen.
Ich bin mir wohl bewusst, dass gerade bei Blogparaden die Titel auch so formuliert sind, dass es ein „Schreibpotential“ gibt, aber ich stoße mich doch immer wieder an der der Besser-Schlechter-Formulierung und dem Entweder-Oder-Ansatz, wie sie in derartigen Diskussionen immer wieder zu lesen sind. Ich frage mich, wie kann man „besser“ definieren? Und wie „schlechter“? Was ist unser Bezugs- oder Vergleichspunkt der Bewertung? Wann lerne ich besser? Wenn ich Kompetenzen entwickle? Wenn ich gute Noten habe? Wie objektiv sind gute Noten? Ich möchte Martin Lindner (@Martin Lindner) zitieren, der in seinem Beitrag zur Blogparade schreibt „In mindestens der Hälfte aller Fälle ist es besser, man versucht sich in eigenwillige und beschränkte Blickwinkel der jeweiligen Lehrkraft einzufühlen.“ Er meint damit, dass die Lehrkraft das Wissen vorgibt und die Schüler*innen Wissen wiederkauen anstatt in die Tiefe zu lernen. Dass Schüler*innen nicht über den Tellerrand blicken, weil es genügt, das von der Lehrkraft zur Verfügung gestellte Wissen zu reproduzieren, oder sogar unerwünscht ist, eigene Interpretationen, Ansätze und Ideen einzubringen.
Ich habe schon mehrmals dazu geschrieben und bin auch hier geneigt, mich darüber aufzuregen, dass Kreativität und Eigenständigkeit der Lerner*innen unterdrückt werden. Das hat zum Teil mit dem System zu tun (Stichwort: zentralisierte Reifeprüfung), zum Teil auch mit der Angst vieler Kolleg*innen, Fehler zu machen. Und diese Angst findet sich auf vielen Ebenen: Lehr- und Lernmaterialien werden nicht ausgetauscht, weil man Angst vor Fehlern hat, oder auch vor Urheberrechtsverletzungen (man weiß nicht mehr, ob man die Materialien selbst zusammengestellt oder zusammenkopiert hat). Man möchte seine eigene Lehre nicht sichtbar machen, aus Angst kritisiert zu werden. Hospitationen sind eine Qual, ebenso Supervisionen – sie werden als „Eingriff in den Unterricht“ gesehen, wie Bob Blume (@legereaude) schreibt. Und leider hat er Recht. Die Tür zum Klassenzimmer bleibt versperrt, aus Angst vor dem eigenen Versagen, vor Kritik, wovor auch immer. Und immer neigen wir Lehrende dazu, uns für unser eigenes Handeln zu rechtfertigen. Und wenn man sich aktuelle Diskussionen anhört – ich erinnere an die 22-Stunden-Aussage des Wiener Bürgermeisters Michael Häupl – dann wundert es mich nicht, wenn Lehrer/innen sofort in eine Rechtfertigungsschiene verfallen. Richard David Precht (@richprecht) beschreibt dieses Phänomen übrigens in seinem durchaus lesenswerten Buch Anna, die Schule und der liebe Gott sehr gut. Wer die Anspielung im Titel versteht, weiß auch, worauf das Buch abzielt.
Genau deshalb verstehe ich nicht, wieso digitale Medien in Diskussionen, die sich offensichtlich mit der Qualität von Unterricht beschäftigen, so explizit herausgehoben werden. Einmal mehr möchte ich unterstreichen, dass digitale Medien auch nur Medien unter vielen anderen sind. Und wie Martin Lindner auch so treffend schreibt, haben viele unterschiedliche Medien im Unterricht ihre Daseinsberechtigung, weil es ja gar nicht um die Medien geht, sondern um die Methoden. Nicht das Entweder-Oder, sondern das Sowohl-Als-Auch zählt. Dazu schreibt Philippe Wampfler (@phwampfler) richtig „Vielmehr macht er didaktische Settings möglich, die schon in analogen Zeiten als fruchtbar erkannt wurden, aber kaum je umgesetzt werden konnten.“ Mit „er“ ist der digitale Mehrwert gemeint. Und noch prägnanter formuliert Philippe Wampfler es am Ende seines Beitrags: Digitalisierung „erweitert das didaktische Repertoire für Lehrpersonen.“ Ein schönes Beispiel kommt von Heiko Schneider (@Hokeys) mit seiner „Erweiterung dieser Schreibkonferenzen in den digitalen Raum“, Philippe Wampfler nennt Urs Hennings Ansatz (@urshenning) inspirierend.
Doch geht es eigentlich nicht um die Methoden, sondern um die Schüler*innen, die Lerner/innen. Bob Blume formuliert seine Sicht der Dinge (gewohnt) überspitzt aber/und (gewohnt) treffend: „Denn diejenigen, um die es geht (also die Lehrer_Innen), werden von dieser Blogparade entweder nichts mitbekommen oder so lange an ihrem egozentrischen Weltbild festhalten (Es dreht sich um den Lehrer), bis sie per päpstlicher (aka kultusministerieller Bulle) dazu gezwungen werden, einen Wandel anzuerkennen (also nie).“
Es geht nicht um die Lehrer*innen, sondern die Schüler*innen. Mit einem breiten didaktischen Repertoire bringe ich Vielfalt in den Unterricht und damit spreche ich unterschiedliche Schüler*innen oder Lerner*innen an. Egal ob man hier die Lerntypen strapazieren will, oder nicht: Unterschiedliche Methoden und Sozialformen sprechen unterschiedliche Personen an, weil sie sich mit einzelnen Methoden und Sozialformen einfach wohler fühlen als mit anderen. Ich zum Beispiel finde Ball-Werf-Spiele (auch mit virtuellen Bällen) absolut furchtbar und ich sträube mich dagegen. Mit dieser Methode möchte ich nicht lernen. Für andere ist vielleicht das gemeinsame Schreiben problematisch, für andere wiederum ein Cyberstorming unter Zeitdruck.
Gerade deswegen sind Medien- und Methodenvielfalt so wichtig. Instruktion und Konstruktion wechseln sich im besten Falle ab und manchmal darf man auch in die Kaffeeküche zum losen Plaudern – oder in der digitalen Welt auf Facebook, wie Jöran Muuß-Merholz (@joeranDE) so schön schreibt. Wenn ich weiß, was ich erreichen will, wenn ich weiß, wohin ich will, wohin der Weg mich führt, dann richte ich mich mit den passenden Medien ein – ob Badeanzug oder Wanderschuhe, ob Sonnenmilch oder Winterhaube. Und vielleicht auch alles gemeinsam.
Mein Fazit: Die eierlegende Wollmilchsau gibt es nicht. Aber das hatten wir schon.