Die wöchentliche #EduPnx-Challenge beschäftigt sich dieses Mal mit den Aufgaben und Themen, die unsere zeitlichen und kognitiven Kapazitäten ausschöpfen, obwohl wir es vielleicht nicht wollen. Hier mein sehr persönlicher Beitrag und meine vorsichtige Lösung.
Jede Woche aufs Neue gibt es Themen, die zum Austausch anregen. Jede Woche aufs Neue versuche ich, einen Beitrag zu verfassen. Meist aber scheitere ich an gefühlt 1000 Baustellen, die offen sind. Deshalb schaffe ich es dieses Mal. Genau um diese Baustellen geht es nämlich:
Welche Themen kreisen gerade in euren Köpfen? Was beschäftigt euch? Was lässt euch trotz täglichen Aufgaben nicht los? Manchmal lässt sich durch dieses Hinterfragen sehr gut eine Priorisierung vornehmen oder auch die Akku-Fresser identifizieren. Viel Spaß beim gedanklichen Sortieren! Lasst uns alle gern daran teilnehmen – geteiltes Leid ist halbes Leid!
@Bildungspunks
Hier also meine gedanklichen Baustellen, alphabetisch sortiert, denn sonst würde mein innerer Monk einen Anfall bekommen. Einige davon werden sicherlich in einem eigenen Beitrag noch aufgegriffen, weil sie mir wichtig sind. Vielleicht hilft mir auch grad dieser Beitrag, mal einen Überblick zu bekommen und zu priorisieren.
Always on
Wir sind ständig beinahe ständig online, das Smartphone, so großartig es ist, blockiert uns gleichzeitig, wenn wir es nicht auch mal weglegen. Unser Gehirn bekommt gar keine Pausen mehr: Brain Drain: The Mere Presence of One’s Own Smartphone Reduces Available Cognitive Capacity. Wir müssen wohl erst lernen, bewusste Pausen einzulegen. Reißerische Überschriften, wie Zierers Wir wischen uns zu Tode, helfen nicht unbedingt. Auch wenn der Beitrag per se gut ist, so ist der Titel eben negativ. Klar, Zierer will gelesen werden. Reflexion und Medienerziehung sind wichtig. Sie beginnen aber nicht erst in der Schule, sondern immer bei einem selbst. Erwachsene sind Vorbilder, positiv wie negativ. Wir können von den Jungen nichts erwarten, das wir selbst nicht leben. Wir tragen Verantwortung, die wir nicht immer so leben. Die rote Ampel, das Smartphone… Es gibt genügend (analoge wie digitale) Beispiele… Das Like regiert die Welt, was aber wenn es ein Paradoxon gibt, wie Leonard Dobusch vor einer gefühlten Ewigkeit anhand seiner Twitter-Favs gezeigt hat?
Artificial Intelligence
Wenn ich mir die Timelines und die Anfragen, die gerade zahlreich hereinkommen, so anschaue, dann gibt es mehrere Themen, um die sich die Welt gerade dreht. Allen voran natürlich ChatGPT und die Folge- und Begleiterscheinungen, wie AutoGPT oder ChaosGPT und viele Anwendungen mehr, die unter dem Sammelbegriff Artificial Intelligence zusammengefasst werden können. Jeden Tag gibt es zahlreiche Medienmeldungen, Beispiele für die Anwendung im Unterricht und darüber hinaus und weitere Alternativen, die sich verbreiten wie Zitronenmelisse oder Minze im Garten.
Wieso mich das Thema beschäftigt? Weil ich meine, dass es sich hierbei erstmals seit langem wirklich wieder um eine disruptive Technologie handelt, die vieles verändern wird, ob wir es wollen oder nicht. Vielleicht ist der Vergleich mit dem Taschenrechner nicht sooo optimal, vielleicht ist es eher die Dampfmaschine. Ich kann’s noch nicht einschätzen, es ist jedenfalls keine digitale Sternschnuppe. Ich weiß nur, dass sich der Unterricht ändern muss und Deep Learning bzw. Prozessorientierung ein Thema sein muss. Dazu gibt es einen eigenen Blogpost, der über Artificial Intelligence hinausgeht.
Fehlerkultur
Wir sprechen so oft von einer positiven Fehlerkultur, aber leben wir sie auch? Sprechen wir über unsere Fehler und unsere Schwächen? Der folgende Beitrag ist ein kleiner Anreißer (ich habe ihn auch nur bis zum Ende der kostenlosen Version gelesen!):
Tom Mittelbach hat hierzu in Das Leben ist nicht Ninja Warrior. ein paar ehrliche Gedanken aufgeschrieben. Und auch wenn der Text sehr kurz ist, ist viel zum Nachdenken drinnen. Warum wir beispielsweise alle Schüler*innen seit ChatGPT unter Generalverdacht des unlauteren Gebrauchs stellen. Okay, vielleicht nicht alle. Aber eine gewisse Skepsis ist da. Manchmal zurecht. Ich finde diese negative Grundstimmung nicht gut. Vielleicht vergessen wir Lehrenden auch gerne mal, dass wir in unserer Schulzeit auch keine Engel waren.
Ich war eine sehr gute Schülerin, wusste aber genau, wie man am besten schummelt oder wie man mit Menschen umgehen sollte. Und ich hab’s auch getan. Da war sooo viel Zeug, das ich einfach nicht lernen wollte. Oder wo ich die Lehrperson nicht mochte und mich für das Fach nicht begeistern konnte. Ich habe Prioritäten gesetzt. Bin ich darauf stolz? Nein, denn das gehört sich gesellschaftlich nicht. Würde ich es wieder tun? Auf jeden Fall.
Hinterherhinken, ewiges
Gesellschaftliche Veränderungen, technologische Veränderungen, ökonomische Veränderung. Die Welt ist im Fluss. Ständig. Panta Rhei – das „Problem“ ist kein neues. Durch das Leben unter den Bedingungen der Digitalität (und man könnte „Leben“ durch andere Hauptwörter ersetzen) geht alles viel schneller und wir hinken und hetzen hinterher. Weil wir ständig auf den aktuellen Zustand schauen. Wir meinen, viel zu wissen und wissen doch zu wenig. Der dreißigjährige Zwölfjährige: Wie tickt die Generation Alpha? Wie auch immer die Generationen heißen und egal, ob es sich um Generationen oder individuelle Anekdoten handelt. Kennen wir unser Gegenüber eigentlich wirklich? Wie viel Fassade gibt es? Wie viele Rollen werden gespielt? Was machen Trends wie die #StayAtHomeGirlfriends oder eine toxische Männlichkeit mit uns und mit der Gesellschaft? Wie viele Mythen begleiten uns ständig? Und was können wir dagegen tun, ohne selbst wahnsinnig zu werden? Ähnliche Fragen beschäftigen mich seit langem. Innehalten, bewusst Wahrnehmen und die Wahrnehmungen einsortieren – das sind meine Lösungsversuche. Ob sie mir gelingen, weiß ich nicht so genau. Aber sie schaffen ein klareres Bild.
Kreativ statt breit
Sir Ken Robinson hat mit Changing Education Paradigms und Do schools kill creativity? Zwei bekannte TedTalks zum Thema Kreativität geliefert. Ist es die Schule, die Kreativität zerstört? Oder das Bildungssystem generell? Ich glaube nicht. Es ist die Leistungs- und Konkurrenzgesellschaft. Alles muss immer optimiert werden – besser, schneller, effizienter. Wo bleibt der Platz für Experimente und Erfahrungen?
Die Beltracchi-Methode ist ein schönes Beispiel und Björn Nölte formuliert am Ende des Beitrags sehr wichtige Punkte, die aber vor allem eines brauchen: Zeit. Und auch Mut zur Lücke, denn will man in die Tiefe gehen, muss man die Breite ein Stück weit aufgeben.
Weniger ist mehr!
Ein viel bemühter Satz, den ich gerne auch in Workshops und in Fortbildungen nutze. Mein Aha-Moment war der Beitrag Psychologie: Warum Dinge weglassen schlauer ist und auch die Überlegungen von Marie Kondo, auch wenn’s vielleicht seltsam klingt. Wir hängen an Altem, an Traditionen, an Mustern. Auch wenn wir Dinge nicht mehr brauchen oder wollen, trennen wir uns nicht von ihnen. Nostalgie und Erinnerung nennen wir es. Und so füllen sich unsere Kästen mit Dingen, die für uns gar nicht (mehr) wichtig sind. So schaut es auch mit unseren Lehrplänen und manchmal mit unserem Unterricht aus. Dabei sollten wir den Lernenden Zeit geben, selbst auf Neues zu kommen und selbst zu überlegen. Zeit, die wir uns nicht nehmen, weil wir noch so viel unterzubringen haben. Wo aber wollen wir es unterbringen? Mit welchem Ziel? Und das soll jetzt nicht heißen, dass wir, wenn wir besser falten, mehr in unsere Kästen bringen. Es geht ums Ausmisten. Es geht ums Luft machen. Es geht letztlich ums Atmen. Auch dazu kommt noch ein eigener Blogpost in Verbindung mit der dem Cognitive Overload und dem Blackout im Gehirn. Hier nur ein erster gedanklicher Anreißer: How to Reduce the Cognitive Load on Students During Lessons. Aber auch der Overload der Lehrperson muss berücksichtigt werden. Und der Overload des Menschen, egal in welcher Rolle.
Fazit
Die #EduPnx-Challenge war eine Challenge. Ich bin meine offenen Tabs im Browser durchgegangen (und es sind wirklich viele). Das ist meine Art, mir Dinge zu bookmarken, mit denen ich weiterarbeiten oder an denen ich weiterdenken will. Umso mehr Tabs offen sind, umso langsamer wird der Browser. Das ist bekannt. Mit unserem Gehirn verhält es sich nicht anders. Die großen Zusammenhänge gehen verloren oder sind nicht erkennbar. So nehme ich für mich aus dem Gedankenkarussel mit, dass Zeit ein wichtiger Faktor ist.
Für ein Seminar zum Schreiben habe ich vor kurzem ein Tautogramm verfasst. Zeit beschäftigt mich sehr. Zeit für meine Studierenden. Zeit für meine Kolleg*innen. Zeit für meine Lieben und vor allem: Zeit für mich. Zum Atmen. Zum Nachdenken. Zum Sortieren. Auch dazu wird es einen Blogpost geben, sobald ich genau das getan habe: geatmet, nachgedacht, sortiert.