Erinnerungen an mein Unterrichtspraktikum #refisbelike #upi

Bob Blume ruft zur Blogparade #refisbelike auf. Und obwohl ich nicht zu 100% in die Zielgruppe passe, möchte ich dennoch einen Beitrag dazu liefern.

Warum ich nicht ganz in die Zielgruppe passe? Nun, ich habe kein Referendariat gemacht, sondern das in Österreich übliche Unterrichtspraktikum, liebevoll Probejahr genannt. Wikipedia erklärt den Unterschied knapp.

Und auch wenn das Unterrichtspraktikum mit all seinen Begleiterscheinungen manchmal unangenehm sein kann und zu meiner Zeit auch noch ein wenig redundant in den Ausbildungsinhalten (gleiche Inhalte in der pädagogischen Ausbildung an der Universität wie begleitend während des Probejahres) war, so gibt es dennoch weit weniger Horrorgeschichten als in Deutschland. Oder wir waren damals einfach schlechter vernetzt. Klar, abschreckende Beispiele gab es damals auch, aber retrospektiv war alles gar nicht so schlimm.

Ich habe mein Probejahr 2008/09 am BG/BRG/MG Dreihackengasse abgeleistet. Die Schule und auch die meisten Lehrenden habe ich gut gekannt, da ich selbst in dieser Schule maturiert habe und nach wie vor an die Qualität der Schule glaube. Für mich gab es also keine zweite Wahl und ich war sehr froh, dass ich so zugeteilt wurde. Mit meiner Fächerkombination Französisch/Italienisch bin ich eben auch ein wenig eingeschränkt.

Quelle: Pixabay (CC0)

Jedenfalls möchte ich mehrere Dinge teilen, darunter meine beiden „Lehrproben“, mein liebstes Hoppala und mein wichtigstes Learning.

Ich hatte vierte Klasse (8. Schulstufe) in Französisch und eine sechste Klasse aus dem Musikgymnasium (10. Schulstufe) in Italienisch und so richtig Glück mit den beiden Klassen. Gespickt mit interessanten Persönlichkeiten waren beide Klassen gleichsam herausfordernd und absolut liebenswert. Und auch meine beiden Mentorinnen (Betreuungslehrerinnen) waren echte Goldschätze, die mich von Anfang an absolut frei agieren ließen. Ich durfte selbst entscheiden, wurde bei allem unterstützt und beide hatten immer ein offenes Ohr für mich. Das Paradies für eine Upi (so werden die Unterrichtspraktikant*innen liebevoll genannt).

Meine „Lehrprobe“ in Französisch

Wie auch in Deutschland gibt es in Österreich Lehrproben. Betreuungslehrer/in und Direktor/in besuchen den Unterricht – meist angekündigt. Bei mir war es in Französisch eher unangekündigt. Und meine „Kleinen“ (so nannte ich die vierte Klasse liebevoll) konnte manchmal doch sehr lebhaft sein. An diesem Tag aber – und es war noch dazu eine Stunde knapp vor einer Schularbeit – waren sie mustergültig. Ich weiß noch, dass wir viel Grammatik wiederholt haben, auch viel Wortschatzarbeit gemacht und am Ende durften sie eine Geschichte als Comic darstellen. Ich sah in der Vorbereitung Stifte fliegen und hörte laute Diskussionen. Aber nix da. Sie saßen „brav“ da, zeigten auf, der Blick nach vorne zur Tafel. Ich traute meinen Augen nicht – ein seltsames Gefühl, wenn eine lebhafte Klasse plötzlich so unlebhaft ist. Naja, die Direktorin verließ die Stunde ein wenig vor dem Läuten. Durchatmen in der Klasse. Eine Hand nach oben. „Frau Professor, nächste Stunde sind wir aber wieder normal.“ Mein verdutzter Blick muss Bände gesprochen haben. „Naja, wir wollten heute besonders brav sein, weil Sie ja beobachtet wurden.“ Ich muss heute noch lächeln, wenn ich an die Stunde denke.   PS: Das war auch die Klasse, die aus Protest, weil sie an einem steiermarkweiten Streik nicht mitmachen durfte, eine Stunde am Boden sitzend verbrachte. Keine Hefte, keine Stifte, kein Blick auf die Tafel. Alle versammelt protestierend am Boden mit einem Hang zur Diskussion. Die Stunde stand damals unter dem Thema „faire la grève“ und es war eine der authentischsten Stunde überhaupt.

Meine „Lehrprobe“ in Italienisch

Meine Lehrprobe Italienisch war angekündigt. Ich weiß nicht mehr genau, was wir damals inhaltlich gemacht haben, ich erinnere mich nur an einen kleinen Moment. Der Horror für viele Sprachlehrende ist jener, wenn man nach einem Wort gefragt wird, für das man keine Übersetzung parat hat. Heute würde ich meinen Schülerinnen und Schülern einfach sagen: Schnappt euch das Smartphone und googelt. Damals war ich weniger Schlagfertig. Ich weiß ehrlich nicht mehr, was wir inhaltlich an diesem Tag gemacht haben, aber plötzlich die Frage: „Wie nennt man auf Italienisch das Wagerl, mit dem Grubenarbeiter in die Grube fahren?“ Heute weiß ich, dass es sich – auf Deutsch – um einen Hunt handelt. Auf Italienisch spricht man von Vagonetto Decauville. Ich denke, ich werde das Wort nie vergessen. Wir haben uns damals auf eine Umschreibung geeinigt – dank Aushilfe meiner Mentorin. Der Moment war auch nur kurz unangenehm, weil wir uns alle angeschaut haben: a) Wie kommt man auf so ein Wort? b) Ich kenne das Wort nicht mal im Deutschen. c) Das ist jetzt echt authentisch – also los, finden wir eine pragmatische Lösung – also Umschreibung. Außerdem kam aus der letzten Reihe ein äußerst liebevolles „Bist alt genug. Schau halt im Wörterbuch nach. Die Frau Professor ist kein Wörterbuch.“ Heute würde ich Google fragen (lassen).

Mein Hoppala

Mit zwei Sprachen als Schulfächern habe ich genau das studiert, was mich interessiert und wofür ich lebe. Dass es dabei zu Verwechslungen, Fauxamis und lustigen Situationen kommen kann, war mir klar. Dass es in der ersten Stunde passiert, war dann doch lustig. Erste Stunde Französisch: Wir stellen uns vor. Was ist eure Lieblingsfarbe? Was ist euer Lieblingstier? Was esst ihr am liebsten? Die Schüler/innen waren eifrig bei der Sache. „Frau Professor, was heißt bitte ‚Schildkröte‘ auf Französisch?“. Ich schreibe das Wort an die Tafel. Am Ende der Stunde sammle ich die kurzen Steckbriefe ab und beginne zu korrigieren. Irgendwann werde ich stutzig. Vielleicht kennen das auch andere, aber wenn man mehrfach eine falsche Lösung gelesen hat, stellt man sich selbst in Frage und überprüft die eigene, richtige Lösung, weil sie ja falsch sein könnte. Ich jedenfalls hatte mehrfach „la tartarugue“ gelesen. Eine klassische Französierung des italienischen Worts „la tartaruga“ für das französische Wort „la tortue“. Passiert mit immer wieder. Und ist immer wieder lustig…

Mein wichtigstes Learning

Wenn man mit dem Unterrichtspraktikum beginnt, wird man zunächst mit einer Rechtsschulung „gequält“, die super wichtig ist, aber – zumindest in meinem Jahrgang – eher mäßig in der Qualität war. Jedenfalls waren wir alle danach verwirrter als davor. Meine Mentorinnen haben die Verwirrtheit aber gut aufgelöst und mir die für mich wichtigste Botschaft mit auf den Weg gegeben, die ich auch meinen Studierenden mitgebe. Kurz zusammengefasst: Bleib authentisch und zieh dein Ding durch! Konkret ging es um die „richtige“ Art zu korrigieren und die Erkenntnis, dass es nicht „den richtigen“ Weg gibt, sondern mehrere Wege, die allesamt richtig sein können. Und dass es wichtig ist, seiner Linie treu zu bleiben und sich nicht zu verbiegen. Eine schöne Botschaft, wie ich finde.

Ein Gedanke zu „Erinnerungen an mein Unterrichtspraktikum #refisbelike #upi

  • Januar 10, 2018 um 4:19 pm Uhr
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    Das klingt ehrlich gesagt wirklich nett. 🙂 Auch nach wohlwollenden Mentoren, die einen nicht an den Pranger stellen, sondern selbst auch zum Schüler sagen, dass man kein Wörterbuch sei und so. Sowas gibt es, denke ich, überall – man kann eben Glück oder Pech haben mit den Herrschaften. Gerade den letzten Absatz finde ich aber besonders schön und das ist es, was mich am Ref in Deutschland besonders stört – wirklich ausnahmslos alle Lehrer sagen einem, dass es eben mehrere Wege gibt, sowohl beim Unterrichten als auch beim Korrigieren, und man das für sich Passende finden muss. Sie sagen aber auch: "Wie Sie am besten unterrichten, das lernen Sie dann nach dem Ref. Davor müssen Sie sich verbiegen und einfach das tun, was Ihre Fachleiter sehen möchten, auch wenn Sie persönlich so gar nicht von dieser Methode überzeugt sind." *seufz* Das sagten nicht nur befreundete Lehrer und Kollegen, sondern auch meine Fachdidaktikdozenten an der Uni, die ebenfalls Lehrer sind und uns schon aufs Ref vorbereiten sollten. Und gerade das finde ich besonders schwierig. Authentizität und die eigene Linie werden da hintenan gestellt, das darf man dann – so mein aktueller Stand – erst nach dem Ref noch lernen.
    Ich hoffe natürlich, dass es nicht ganz so schlimm kommen wird, bin aber wenig optimistisch, wenn mir das bisher ausnahmslos alle so berichtet haben. Vielleicht habe ich ja wenigstens mit den Mentoren Glück. Bzw. falls ich allzu sehr die Krise im dt. System kriegen sollte, sollte ich vielleicht nach Österreich wechseln… 😉
    Auf jeden Fall ein schöner Beitrag!

    P.S.: Im Praxissemester mein "Hunt-Moment" in Englisch in Klasse 6: "Wir sollen doch über unsere Hobbies schreiben, aber was heißt 'Felsenbad' auf Englisch?"

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