Markus Väth hat mich mit der Überschrift seines Blogposts Wissen wird zum Wegwerfprodukt zum Nachdenken gebracht. [Der Inhalt des Posts geht zwar in eine andere Richtung als ich sie gedacht habe, stimmt aber jedenfalls auch irgendwie, soll aber hier nicht Thema sein.] Ich dachte dabei eher in die Richtung: Wir leben in einem Zeitalter, nennen wir es die Wissensgesellschaft oder anders, in der rasant viele Daten und auf diese aufbauen auch Informationen generiert werden. Das Wissen jedoch explodiert nicht gleichermaßen.

Punkt 1: Ja, wir müssen zwischen Daten, Informationen und Wissen unterscheiden, wenngleich es gerade aus der Umgangssprache heraus sehr ähnlich klingt.
Wir müssen aber lernen, mit diesem vermeintlichen Wissen – also eher den Daten und Informationen umzugehen, um daraus a) Wissen zu generieren und b) handhabbar zu machen. Damit meine ich, was George Siemens (@gsiemens) vor einer gefühlten Ewigkeit als Connectivism angedacht hat. Wir können nicht mehr alles wissen, wir müssen aber lernen, an den richtigen Stellen zu suchen oder die richtigen Knotenpunkte in unserem Netzwerk aufzurufen. So wie der Telefonjoker in der Millionen Show. Und auch wenn ich nicht glaube, dass der Konnektivismus wirklich die Lerntheorie des digitalen Zeitalters ist (ich stoße mich ja auch an der Attribuierung „digital“ in Kombination mit „Zeitalter“), so glaube ich doch, dass wir in einer netzwerkorientierten Gesellschaft leben (Stichwort: Social Media), in der das Wissen geteilt wird, womit ich wieder zurück zu Thomas Väths Blogpost und meinen letzten Posts zum Thema Open Educational Resources und Open Educational Practices komme.
Schauen wir uns mal an, was in einer Minute im Internet so passiert. Oder wie häufig wir Messenger-Dienste pro Minute verwenden. Wir stehen in ständigem Austausch mit unserem Netzwerk. Wir lernen voneinander im Netzwerk (Stichwort: Informelles Lernen). Wir tauschen uns aus. Und wir müssen damit umgehen lernen.
Punkt 2: Wir brauchen neue Kompetenzen und Skills, auch hier sollte zwischen den Begriffen getrennt werden, denn sie meinen eigentlich nicht das gleiche.
Joël Krapf hat sich dieser Kompetenzen angenommen und zwei interessante Blogposts dazu verfasst:
- Entwicklung «digitaler» Kompetenzen: Leitende Fragestellungen zur Umsetzung
- Entwicklung digitaler Kompetenzen – drei Lösungsansätze aus der Praxis
Der Autor geht dabei nicht primär didaktisch an das Thema heran, sondern nähert sich auf einer Metaebene unter dem Fokus der „digitalen Arbeitswelt“ (auch hier bin ich mit der Attribuierung „digital“ nicht glücklich). Welche Kompetenzen brauchen wir in der Arbeitswelt aktuell und wie könnte dies in einigen Jahren aussehen?
Punkt 3: Schule muss aufhören, heute Inhalte von gestern für die arbeitende Generation von morgen zu vermitteln.

Auch die Ausbildung muss sich verändern. Wenn ich mir ansehe, dass es Studien dazu gibt, ob die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern sich verbessern, wenn ihre Eltern eine wöchentliche Textnachricht über Lernerfolg, fehlende Aufgaben oder die Anwesenheit der Kinder bekommen, dann lässt mich das den Kopf schütteln. Gleichzeitig wird gezeigt, dass Clickers nicht unbedingt zum Deeper Learning beitragen, aber das Faktenlernen unterstützen – siehe dazu auch den immer noch aktuellen Artikel zum Kahoot!-Sog von Philippe Wampfler (@phwampfler)
Punkt 4: Digitale Medien sind nicht das Allheilmittel. (Wogegen denn eigentlich?)
Vor mehr als zwei Jahren hat Axel Krommer (@mediendidaktik_) einen Blogpost mit dem Titel Welchen Mehrwert haben digitale Medien für das schulische Lernen? geschrieben. Sollten wir also die Inhalte überdenken? Sollten wir auf die Informationsexplosion antworten? Das Umschreiben von Lehrplänen bedarf einiger Zeit, gleichzeitig handelt es sich um Rahmenlehrpläne. Ich lege hier allen den Beitrag Das Digitale in der Schule – Mehrwert oder ein Wert an sich? von Gerhard Brandhofer (@rationalekritik) ans Herz, der sich aufgrund unterschiedlicher Perspektiven für ein Sowohl-Als-Auch entscheidet.
Wie Digitalisierung schlechte Didaktik verfestigt schreibt Philippe Wampfler. Und seine Kritik trifft ins Schwarze. Solange wir nach richtigen und falschen Antworten beurteilen, solange wir nicht in einen Austausch miteinander treten, solange bleiben wir beim Ausbilden und entfernen und vom Bilden. Bildung und Ausbildung sind zwei unterschiedliche Konzepte. Die Kinder und Jugendlichen von heute müssen lernen, mit Fake News umzugehen – siehe dazu den Artikel Navigating post-truth societies, der die Notwendigkeit betont, die Vertrauenswürdigkeit und Verlässlichkeit der einzelnen Knotenpunkte in einem Netzwerk oder auch der Filterblase zu hinterfragen.
Tanner Higgin nennt im Blogpost Making Media Literacy Central to Digital Citizenship fünf zentrale Punkte, die uns allen am Herzen liegen sollten:
1. Help Students Identify the Intent of What They Watch
https://www.kqed.org/mindshift/49607/making-media-literacy-central-to-digital-citizenship
2. Be Aware That the Web Is a Unique Beast
3. Turn Active Viewing into Reactive Viewing
4. Transform Students’ Video Critiques into Creations
5. Empower Students to Become Advocates
Und auch so manchem Erwachsenen würde es nicht schaden, sich dieser Punkte immer wieder bewusst zu werden. Wir sind Vorbilder und sollten uns auch so verhalten. Wenn ich mir aber ansehe, was der eine oder die andere in meinem Netzwerk postet, dann schüttle ich einfach nur den Kopf. Aber wahrscheinlich denkt mein Netzwerk von mir ähnlich.