„Spaß und Effizienz in der Lehre“ eine Nachlese

Die letzten beiden Tage habe ich in einer Fortbildung mit dem Titel „Spaß und Effizienz in der Lehre“ (unter der Leitung von Elisabeth Fattinger) verbracht. Und wie sich am Titel leicht erraten lässt, ging es um Didaktik bzw. didaktische Methoden und Settings, die eben Spaß und Effizienz bringen sollen.

Ich möchte mich in diesem Blogbeitrag gerne diesem Thema widmen, indem ich eine kleine Zusammenfassung der beiden Tage liefere. Und dabei auch den 78. #EDchatDE im Auge behalten, der sich gestern dem Thema „Binnendifferenzierung im Unterricht“ gewidmet hat, da sich die Themen doch sehr überschneiden bzw. sich einige der vorgestellten Methoden zur Binnendifferenzierung eignen.

Bevor ich mich aber der Nachlese widme, möchte ich eine wichtige Unterscheidung noch mal hervorheben, weil sie scheinbar nicht allen so ganz klar ist. Methode und Tool sind nicht synonym zu verwenden. Eine Methode gibt den Weg an, das WIE ich ans Ziel gelange; das Tool hingegen das WOMIT, also das Mittel oder Medium, das Instrument. Um eine Methode umzusetzen, brauche ich Tools (auch Anwendungen, Werkzeuge, Medien oder Mittel genannt). Rolf Netz (2009) hat unter Lernen lernen – mit Medien und Methoden auf Lehrer-Online.de schon mal dazu geschrieben.

Nun aber zur Fortbildung und hier gleich mal die 8 Kerntipps, die uns die beiden Tage begleitet haben:

  • Lernziele und Kompetenzen prüfen
  • Lernziele und Kompetenzen reduzieren
  • Struktur und Orientierung bieten
  • Aktivierende, kooperative Lernformen
  • Gehirngerechte „Dramaturgie“
  • Gruppe als Ressource nutzen
  • Bewusste Gestaltung von Präsenz- und Selbstlernphasen
  • Verknüpfung mit „innovativen“ (alternativen) Lernszenarien

Zu diesen Kerntipps wurden einzelne Methoden vorgestellt, von denen ich einige näher beleuchten, andere nur verlinken möchte. Und wo möglich möchte ich auch eine Variante aus Digitalien nennen bzw. ein Tool, mit dem sich die Methode umsetzen lässt.

Zunächst ging es ganz stark um den Paradigmenwechsel in der Lehre, weg von der Vermittlungs- und hin zur Ermöglichungsdidaktik im Sinne einer Lernendenzentrierung, bei dem sich auch die Rolle der Lehrenden maßgeblich verändert: von Vermittler*in zu Ermöglicher*in sozusagen. 4 Grundregeln lassen sich in diesem Zusammenhang verorten:

  • Lehren und Lernen sind nicht mehr trennbar, die Grenzen zwischen den beiden Prozessen verschwimmen zunehmend.
  • Die Idee vom Lernen im Gleichschritt ist aufzugeben.
  • Nicht mehr die Lehrenden sind im Besitz von Methoden, sondern ebenso die Lerner/innen. Diese sind zum Einsatz dieser Methoden auch anzuregen.
  • Lerninhalte weichen Methodenwissen und Kompetenzentwicklung.

Zusammengefasst lässt sich somit „Konstruktion statt Instruktion“ als Leitspruch formulieren, wenngleich die Statt-Formel sehr stark ist und es vielleicht eher heißen sollte „Konstruktion neben Instruktion“. Die Betonung der Wissenskonstruktion ist der zunehmend kurzen Halbwertszeit des Wissens in einer sich ständig verändernden Informationsgesellschaft geschuldet, die durch digitale Medien einen beinahe uneingeschränkten Zugang zu Informationen ermöglicht (Stichwort: ubiquitious und mobile seamless learning). Gesellschaft und Arbeitswelt fordern vermehrt Kompetenzen und Netzwerke ein, das Wissen an sich scheint in den Hintergrund zu rücken. Dabei ist vor allem wichtig, zu wissen, WO man etwas findet (Stichwort: Konnektivismus), gerade weil man sich bewusst ist, dass man nicht mehr ALLES wissen kann. Zusätzlich werden auch die Lerngruppen immer heterogener – Heterogenität der Studierendengruppen erfordert dabei Binnendifferenzierung und – wie gestern im #EDchatDE schon in einem Tweet ausformuliert – diese meint Multiperspektivität meint Abwechslung meint Vielfalt meint Transdisziplinarität meint Offenheit.

Und weil Studierendenzentrierung auch meint, die Studierenden zu aktivieren, sind Tools und Methoden wichtig, um diese Aktivierung zu erleichtern. Als Methode ließe sich im Präsenzunterricht das Lead-Learner-Konzept nennen. Für dieses werden innerhalb eines Lernsettings Gruppen gebildet, die einen Lead-Learner bestimmen. Auf eine Phase der Instruktion folgt eine Phase, in der die Gruppenmitglieder Fragen formulieren können, diese auf Zettel schreiben und an den Lead-Learner weitergeben, der sie sammelt und an die Lehrperson weiterleitet. Diese kann die Fragen in der Präsenzeinheit oder auch im virtuellen Lernraum beantworten. Eine Anonymität der/des Fragenden bleibt gewährleistet und die Angst, „blöde Fragen zu stellen“, wird genommen. In einem virtuellen Lernraum ließe sich dieses Konzept mit Student-Response-Systemen (wie Kahoot!, Socrative oder FeedbackR) in unterschiedlichen Formen unter Einsatz mobiler Devices erledigen. Auch interaktive Boards, wie Padlet oder Lino ermöglichen das anonyme Fragenstellen in Echtzeit.

Dabei gilt es immer, die Lerner*innen zu motivieren und ihnen die Angst zu nehmen, sich bloßzustellen oder zu blamieren. Als Möglichkeit über die Gruppe die Einzelperson als Ressource zu nutzen, ist dabei die Murmelgruppe (oder der Bienenkorb) als Methode zu sehen. Die Lerner/innen tauschen sich kurz untereinander aus, um dann erst im Plenum zu einer Frage Stellung zu nehmen. Als Lehrende stellen wir oft fragen, geben den Lernerinnen und Lernern aber zu wenig Zeit zum Nachdenken. Wir kennen die Antwort, fürchten die Stille, stehen unter Zeitdruck – die Gründe sind vielzählig.

Um gerade schwierige Themen abzuhandeln und die Lerner/innen zu aktivieren, eignet sich die Methode „Paradoxes Brainstorming“ sehr gut. Will man ein heikles Thema erarbeiten, so ist es manchmal hilfreich, das Pferd von hinten aufzuzäumen. Als Beispiel soll folgende Frage dienen: „Was kennzeichnet eine richtig schlechte PowerPoint-Präsentation?“ Aus den nun folgenden Antworten lassen sich die Merkmale einer gelungenen Präsentation ableiten. Der Menschheit fehlt es nun mal leichter, zu sagen, was schlecht ist, als Positives zu formulieren. Dieses Brainstorming kann auch in der virtuellen Welt mittels kollaborativer Schreibumgebung, wie Etherpad oder GoogleDoc, Padlet oder Lino, erfolgen. Als Möglichkeit des Clusterns bietet sich ein Mindmap zum Thema an. Als Tools können Coggle, Bubbl.us oder Mindmeister exemplarisch genannt werden.

Ebenso aktivierend ist das Blitzlicht zu sehen. Hier wird ein (provokatives) Zitat oder Statement bzw. ein Bild an die Wand projiziert, das dann von den Lernerinnen und Lernern kommentiert werden kann. Das „kann“ impliziert die Freiwilligkeit der Wortmeldung. Als Tools zur Gestaltung dieses Impulses eignen sich unter anderem Quozio oder Pinwords, da hier einfach, ansprechende Wort-Bild-Kombinationen erstellt werden können.

Um wichtige Terminologien vorzuentlasten, lassen sich Glossar (als Tool) und Bullshit-Bingo (als Methode) einsetzen. In einem Glossar (z.B. auf der Lernplattform Moodle) werden zentrale Begrifflichkeiten vorab oder während einer thematischen Einheit gesammelt. Ebenso lässt sich ein Bullshit-Bingo veranstalten. Die Lerner/innen notieren jene zehn Begriffe, die sie für ein Thema als zentral erachten (wenn das Thema bekannt ist), die sie für ein Thema erwarten oder die sie schon nicht mehr hören können. Wer zuerst eine gewisse Anzahl oder Formation von Begriffen (z.B. eine horizontale oder vertikale Reihe) ausstreichen kann, ruft Bingo! Diese Begriffe lassen sich nachträglich in einem Glossar oder einer Datenbank sammeln und definieren. Als Wiederholung könnten diese Begriffe dann in einem Wortsuchspiel, wie es sich mit LearningApps, Suchsel oder dem Puzzlemaker erstellen lässt, gesucht werden – als Ziel ist eine möglichst schnelle Zeit oder eine Steigerung in der Suchgeschwindigkeit möglich.

Binnendifferenzierung meint auch Vielfalt, um möglichst viele Lerntypen, Lernstile, Vorlieben, Interessen und persönliche Prädispositionen abdecken zu können. Für so mache/n ist dabei wichtig, visuell-kreativ zu arbeiten. Hierfür eignen sich Sketchnotes besonders. Als Beispiel möchte ich zwei Sketchnotes von Luka Peters (@edaktik) nennen.

Sketchnote 1 hat er gezeichnet während eines Vortrags, den ich auf den EDU|days in Krems gehalten hab. Das Video zum Ansehen des Vortrags findet sich auf der Seite der Education Group

Sketchnote Schule & Social Media: Lernen in und mit Social Media?“ by Luka Peters @edaktik | CC BY

Sketchnote 2 ist eine Zusammenfassung zu Woche 3 im MOOC „Soziale Medien & Schule: für wen, wieso, wozu?“, der auf iMooX gerade läuft.

 
Sketchnote Social Media und Schule Woche 3“ by Luka Peters edaktik.de lizenziert unter CC BY.
 

Sketchnotes sind eine besondere Art der Visualisierung, ein Zusammenspiel aus Wort und Text. Auf der re:publica 15 beschäftigte sich eine Session mit dem Thema. Das Video Sketchnotes für Einsteiger soll als zusätzliche Inspiration dienen.

Als zusätzliche assoziative Übung (auch das Paradoxe Brainstorming gehört hier dazu) ist die ABC-Liste zu nennen. Sie ist sicherlich bekannt und muss nicht näher ausgeführt werden. Als Tool, um diese auszuüben, eignet sich jegliches kollaborative Schreibtool (EtherpadGoogleDoc) oder aber auch Prezi oder Glogster als Visualisierungsmöglichkeit.

Wenn man von Unterricht spricht, wird auch immer wieder der Begriff der Dramaturgie genannt. Jeder Unterricht besteht aus unterschiedlichen Phasen, die wie Akte eines Dramas zu sehen sind. Wir beginnen am Anfang mit einem Unterrichtseinstieg, einem Anfangsritual, dem Anknüpfen an Bekanntes/ die letzte Stunde/ das letzte Thema/ Vorwissen oder einer Auflockerung. Das ist die Exposition. Langsam steigern wir die Spannung – das Thema wird erarbeitet, Input oder ein Impuls werden geliefert. Schließlich darf zum Höhepunkt selbst gearbeitet werden. Die Lerner/innen üben, Transfer sollte stattfinden. Unterricht sollte ja auch zu einem guten Abschluss kommen, um ein rundes Bild zu kreieren. Dabei sollte auf eine „gehirngerechte“ Dramaturgie geachtet werden, in der sich rezeptive (eher passive) Phasen der Instruktion mit expressiv-aktiven Phasen der Konstruktion abwechseln. 

Als Methode sei das Sandwich-Prinzip genannt. Der Unterricht wird in verschiedene Abschnitte geteilt, die sich wie die Teile eines Sandwiches aufeinanderlegen: Dabei ist der Wechsel zwischen Lehrenden- und Studierendenzentierung, Aktivität und Passivität, Instruktion und Konstruktion zentral. Eine Möglichkeit wäre z.B. auf einen Theorieinput eine Murmelgruppe folgen zu lassen. Oder aber ein Kugellager (hier eine Beschreibung unter CC), Karussellgespräch bzw. einen Doppelkreis. Bei dieser Methode werden zwei Gruppen gebildet, die jeweils einander ergänzende Materialien mit spezifischen Informationen erhalten und sich darüber austauschen. Die Form ist dabei ein Doppelkreis, die Ausführung wie ein Speed-Dating. Die folgende Beschreibung erleichtert die Vorstellung dieser Methode.

Um zu lernen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren, eignet sich die Methode Elevator Pitch. Die Studierenden bekommen 30-60 Sekunden, um einen kurzen Vortrag zu halten. Die Situation erinnert an eine Liftfahrt. Diese wird von einem/einer Mitarbeiter/in genutzt, um den Chef von einer Idee zu überzeugen. Das Pecha Kucha lässt grüßen 🙂

Weitere Methoden dieser Fortbildung (als Auszug):

  • Eulen der Weisheit: Die Lerner/innen folgen dem Lernen durch Lehren-Ansatz (LdL) und sollen eine Information/ ihr Wissen einem Freund/ einer Freundin, einem Kind, in einem Satz erklären können. Wird in einem Satz zusammengefasst, könnte dieser mit Vine aufgezeichnet und geteilt werden.
  • PQ4R (Preview – Question – Read – Reflect – Recite – Review): Die Methode eignet sich zum Erarbeiten komplexer Texte.
  • Markt der Möglichkeiten, Museumsgang oder Infomarkt: Gruppenarbeiten können alternativ präsentiert werden, indem die Plakate an die Wand gehängt werden. Die Hälfte der Gruppenmitglieder bleibt beim Plakat und präsentiert, die andere Hälfte wandert von Plakat zu Plakat. Sind alle durch, wird getauscht. Eine Ähnlichkeit zum World Café ist erkennbar.
  • Expertengruppe (Jigsaw, Gruppenpuzzle): In Gruppen wird ein Thema erarbeitet. Es gibt dabei Gruppe A, B, C und D etc. Nach der Erarbeitungsphase wechseln die einzelnen Gruppenmitglieder in die Expertengruppen: Je eine Person pro Gruppe wird als Expertin/ Experte in die neue Gruppe entsandt.

Was ich für mich – neben der Erinnerung an viele bekannte aber selten benutzte Methoden – mitnehme, ist vor allem das Bild vom „heimlichen Lehrplan„, den wir als Lehrpersonen offenlegen sollten. Für uns ist klar, wieso wir gewisse Dinge fragen, wieso wir Übungen machen, welchen Zweck wir eigentlich verfolgen. Wir reagieren manchmal ungeduldig, weil unsere Lerner/innen die Zusammenhänge nicht sehen oder begreifen. Dabei sind es unsere Zusammenhänge, es ist unser Bild der Welt, das wir ins uns tragen. Und manchmal ist es einfach hilfreich, zu sagen, warum die Schüler/innen und Studierenden etwas machen, um ihnen klar zu machen, dass sie das Gelernte auch später noch brauchen werden, um den Transfer in andere Bereiche zu ermöglichen. Dabei spielen Lernziele eine wichtige Rolle: Sie sind auf der einen Seite die Ziele, die durch den Einsatz von Methoden und Werkzeugen erreichen wollen, sie sind aber auch Kategorien der Leistungsbeurteilung. Umso feiner die Lernziele oder learning outcomes definiert werden, desto leichter lässt sich ihr Erreichen überprüfen, umso transparenter ist die Leistungsbeurteilung. Bloom’s Taxonomy, vor allem aber auch die Verben zur Lernzielformulierung, sind hilfreich in diesem Zusammenhang und könne der Orientierung dienen. Doch darf man dabei nicht vergessen, dass nicht nur kognitive, sondern auch affektive und psychomotorische Lernziele erreicht werden sollen, sondern auch Kompetenzen erworben werden sollen, die über die Fachebene hinausgehen (Stichwort: Schlüsselqualifikationen).

Zum Abschluss noch ein paar digitale Methodensammlungen:

Und weitere spannende Materialien (weitere Infos finden sich auf diesem Blog in der Tag Cloud unter Methoden oder Methodensammlung):