Mythen beim Erstellen von Materialien. Oder: Semesterlich grüßt das Urheberrecht

Es ist erstaunlich, dass noch immer so viel Unsicherheit über das Thema Urheberrecht beim Erstellen von (Unterrichts-)Materialien vorherrscht. Ein kleiner murmeltierhafter Streifzug durch einige Gedanken zum Thema.

Wer meinen Blog liest, der weiß, dass ich mich in regelmäßigen Abständen mit dem Thema Urheberrecht und Open Educational Resources auseinandersetze. Gerade am Anfang des Semesters oder auch des Schuljahres erwacht in mir der Wunsch noch einmal einige Gedanken zu diesem komplexen Thema zusammenzufassen. Das liegt vielleicht daran, dass ich da immer frisch von Fortbildungen und aus den Korrekturen der Abschlussarbeiten komme und merke, welche Fragen und Stolpersteine in der Praxis auftauchen. Semesterlich grüßt zwar nicht das Murmeltier, aber das Urheberrecht.

In diesem Jahr – bzw. am Beginn dieses Semesters – habe ich mir gedacht, ich fasse mal zehn Aussagen, die wie Mythen in vielen Köpfen kursieren, zusammen.

1. Ich darf aus Schulbüchern Inhalte abtippen.

Grundsätzlich darf man alles abtippen. Man darf aber nicht alles Abgetippte dann auch wirklich verwenden. Gerade auf Schulbücher trifft das zu. Hier ist das Abtippen, das Scannen oder Kopieren bzw. Abfotografieren der Inhalte laut österreichischen Urheberrechtsgesetz verboten. Ich habe hierzu bereits einmal ausführlich gebloggt:

Die Mythen, die in diesem älteren Blogbeitrag genannt sind, gelten auch heute noch. Wichtig erscheint dabei, dass diese Regelung nicht nur Schulbücher an sich betrifft, sondern alle Werke, die zum „Zwecke des Unterrichts und der Lehre“ entstanden sind; also auch beliebte Materialien, wie die Durchstarten-Linie, Sourire oder Ciao.

Wichtig: Man kann natürlich bei den Verlagen immer um Erlaubnis fragen, die Materialien zu verwenden.

2. Pixabay ist eine sichere Quelle.

Halbrichtig. Da sich Pixabay aus Fotos speist, die (mehrheitlich) von Menschen hochgeladen werden, kann es immer wieder zu Fehlern kommen. Dies gilt auch besonders für Bilder, die in Österreich unter §78 UrhRG, also dem „Recht am eigenen Bildnis“ geschützt sind. Gemeint sind Bilder, die Menschen zeigen. Hier ist besondere Vorsicht geboten, da nicht klar ist, ob die Person, die etwas hochlädt, auch alle Rechte am Bild hat. In den Nutzungsbedingungen wird beispielsweise auch noch einmal hingewiesen, dass zusätzlich Personenrechte oder Markenrechte gelten können. Hier ein beliebtes Beispiel, das für die Nutzung im Unterricht nicht erlaubt ist. Und gleich noch eines. Bei allen Datenbanken gilt immer: Hirn an, Augen auf!

3. Bei Pixabay muss ich keine Quelle angeben.

Halbrichtig. Pixabay stellt zwar Materialien unter einer eigenen, speziellen Pixabay-Lizenz zur Verfügung, die auch eine kommerzielle Nutzung einschließt und eine Namensnennung nicht zwingend vorschreibt, die Quelle sollte aber dennoch immer angegeben werden. Wird keine Quelle angegeben, könnte man den Verdacht erwecken, man sei der/die Urheberin eines Bildes oder einer Illustration beispielsweise.

4. Mit Materialien aus Pixabay darf ich OER erstellen.

Mittlerweile leider falsch. Früher, vor einer gefühlten Ewigkeit, standen die Bilder unter CC0, das heißt, man konnte mit ihnen Open Educational Resources erstellen (Beispiel: Aktuell auf Pixabay steht die Pixabay Licence; auf einer anderen Seite ist auf Pixabay noch unter Public Domain verwiesen). Das ist heute nicht mehr der Fall und durch die mehrfachen Änderungen auch nicht mehr so leicht zu durchblicken. Alle Bilder stehen unter einer eigenen Pixabay-Lizenz, die weitere Unterlizenzierungen, und eine solche wäre die Lizenzierung als Open Educational Resource, untersagt. Dasselbe gilt übrigens nicht nur für Pixabay sondern auch für Coco Material, FreePik, Pexels und Unsplash, wenn nicht dezidiert eine Lizenzierung unter CC0 zu finden ist. (Weitere Informationen hier.)

5. Bilder, die mit AI-Seiten generiert werden, darf ich als OER verwenden.

Fotos, die mit Seiten wie This Person does not exist erzeugt sind, stehen nicht unter einer offenen Lizenz und sind somit keine Open Educational Resources. Auf der Seite von iRights liest man:

„Solche Outputs könnten durch Urheber- oder Leistungsschutzrechte geschützt sein. Erst durch einen solchen Rechtsschutz werden sie verkehrsfähig (können lizenziert und verkauft werden) und sind gegen die ungefragte Übernahme und Weiterverwendung geschützt.

Sind keine Immaterialgüterrechte (Oberbegriff für Urheber,- Patent- und Markenrechte; englisch Intellectual Property Rights, kurz: IPR), gegeben, sind die Inhalte gemeinfrei und können völlig legal einfach übernommen und weiterverwendet werden. Rechtsschutz ist dann nur sehr eingeschränkt über Verträge möglich.“

iRights.info

Diese Fotos werden durch den Algorithmus GAN (generative adversarial network) beim Aktualisieren der Seite erzeugt. Hier kann es auch passieren, dass Fotos von echten Personen erstellt werden (ob das Beispiel stimmt oder nicht, weiß ich nicht, aber ich kann mir vorstellen, dass so etwas passieren kann). This gilt auch für ähnliche Seite, die mittels AI Fotos generieren: Hier eine Übersicht über ähnlich funktionierende Seiten. Ich wäre hier immens vorsichtig.

Quelle: Pixabay

6. 70 Jahre nach dem Tod des Urhebers bzw. der Urheberin geht das Produkt automatisch in die Gemeinfreiheit über.

https://publicdomainreview.org/features/entering-the-public-domain/2022/Halbrichtig. Es gibt Fälle, wie das Beispiel von Micky Maus zeigt, in denen neben dem Urheberrecht noch weitere Interesse und in weiterer Folge Rechte zum Tragen kommen. Dass etwa „immer so ist“, ist also zu pauschal. Man muss sich die Einzelfälle ansehen. Er sich einen Überblick darüber verschaffen will, was 2022 in die Public Domain übergegangen ist, findet hier eine Übersicht und auf Wikipedia eine schöne Liste.

Fun Fact: Darunter übrigens der Text der österreichischen Bundeshymne.

7. Das Angeben der Quelle ist so mühsam.

Stimmt manchmal, aber es gibt genug Seiten, auf denen man sich informieren kann. Besonders empfehlenswert: Der aktuelle Beitrag Der OER-Gold-Standard für ein häufig verwendetes Format – Das Foto auf der Seite von iRights.info. Außerdem ist anfangs alles mühsam, bis man sich dran gewöhnt hat. Übung macht den/die Meister*in.

Kleiner Tipp: Für alle Quellen, die aus der Wikimedia stammen (also Bilder, Audios, Videos), gibt es den Lizenzhinweisgenerator, der mittels Link alle notwendigen Informationen zur Angabe der Quelle herausfiltert. Wer sonst alle Informationen hat, wird auch den Open Attribution Builder toll finden. Hier gibt man alle notwendigen Informationen ein und die richtige Quellenangabe (Attribution) wird automatisch und in Echtzeit erstellt.

8. Gute OER-Bilder bzw. -Materialien findet man so schwer.

Halbrichtig. Man muss nur seine Suchgewohnheiten anpassen. So wie man mit Google oder anderen Suchmaschinen sucht, die sich gegen Altavista und Yahoo durchgesetzt haben, so kann man in der OER-Suche auch auf eigene Suchmaschinen zurückgreifen:

9. Ich erstelle gerne OER und gebe meine Materialien als PDF weiter. Damit nichts verrutscht.

Danke fürs Teilen der Materialien! Aber beim Teilen bitte auch auf das Format achten. PDF ist zwar toll, weil da wirklich nichts verrutscht, das nachbearbeiten ist aber sehr schwierig. Jöran Muuß-Merholz hat vor einer gefühlten Ewigkeit einen Beitrag zu offenen Formaten geschrieben. Vielleicht einfach mal reinlesen.

10. Aber… Aber… Aber… Ich mach das schon immer so, mir ist noch nie was passiert.

Ich gratuliere herzlich und wünsche, dass es auch in Zukunft so sein wird.

Quelle: Pixabay

Entschuldigung für den letzten Punkt, aber diese Aber-Mentalität, mit den verschränkten Armen und dem Fuß, der ein wenig stampfend aufgesetzt wird. Ist natürlich ein Zugang, aber ist halt so gar nicht meine Welt. Wenn ich das „Haben wir immer schon so gemacht“, schon höre… Das ist ein Zugang, aber eben nicht meiner.

Hier noch meine 10 liebsten Seiten für Materialien, mit denen ich Open Educational Resources erstellen kann:

  1. Audiolingua
  2. Wikimedia
  3. Open Clipart Library
  4. The Noun Project
  5. Bilderdatenbank des Tiroler Bildungsservers (TiBS)
  6. FlickR (Lizenz einstellen: Alle Creative Commons)
  7. Bilderhamster
  8. Jamendo
  9. Free Music Archive
  10. Tutory

Fortbildung gewünscht?

Am 3. März 2022 startet auf iMooX, der österreichischen MOOC-Plattform der MOOC „OER nutzen und erstellen“, der einen kompakten Einblick in das Thema geben wird. Am Ende bekommt man sogar eine Teilnahmebestätigung und kann sich somit das neu erworbene Wissen sogar „nachweisen“.

Wer sich gerne selbstständig einliest, wird auf der Seite der Initiative Open Education Austria oder der Seite von iRights.info sicherlich fündig

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