Die Sache mit der Kopie aus dem Schulbuch

tl;dr Das Kopieren, Scannen und Fotografieren von Inhalten aus Schulbüchern für den eigenen Unterrichtsgebrauch ist VERBOTEN.

Ich bin in letzter Zeit im Zuge von Schulungen immer wieder gefragt worden, wie das mit dem Schulbuch und dem Kopieren, Scannen und/oder Fotografieren der Inhalte so ist. Da herrschen so einige Mythen und Missverständnisse – nun bin ich keine Juristin, möchte aber dennoch ein paar Hinweise zum Schulbuch im Unterricht sammeln und in diesen Blogpost einbinden.

Quelle: Pixabay

Achtung:
Ich beziehe mich ausschließlich auf die Situation in Österreich. 

Zunächst einmal die rechtliche Seite. Das österreichische Urheberrechtsgesetz ist beschäftigt sich nicht nur mit dem Urheberrecht, sondern auch verwandten Rechten, wie den Nutzungs- und Verwertungsrechten. Während man in Österreich (und auch in anderen europäischen Ländern) nicht auf sein Urheberrecht verzichten kann (deshalb war es spannend, ob die Vergabe von CC0-Lizenzen in Österreich erlaubt ist oder nicht), so kann man anderen doch die Verwertungsrechte (z.B. Verlagen) oder Nutzungsrechte (z.B. Kolleg*innen) einräumen. Dies ist im Urheberrechtsgesetz klar geregelt.   

Paragraph 42 UrhG

Wenn es um die Verwendung von Inhalten anderer Personen geht, so ist besonders §42 UrhG bzw. §42a-g UrhG interessant; für Unterricht und Lehre im Speziellen §42g. Dieser beschäftigt sich mit dem Bereich „Öffentliche Zurverfügungstellung für Unterricht und Lehre“. Die relevanten Stellen möchte ich nun in Gänze zitieren: 

„(1) Schulen, Universitäten und andere Bildungseinrichtungen dürfen für Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre veröffentlichte Werke zur Veranschaulichung im Unterricht für einen bestimmt abgegrenzten Kreis von Unterrichtsteilnehmern beziehungsweise Lehrveranstaltungsteilnehmern vervielfältigen und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen, soweit dies zu dem jeweiligen Zweck geboten und zur Verfolgung nicht kommerzieller Zwecke gerechtfertigt ist.“

https://www.jusline.at/gesetz/urhg/paragraf/42g

Dieser Absatz würde vermuten lassen, dass ich aus allen Materialien zum Zwecke des Unterrichts beziehungsweise der Lehre“ Materialien nutzen darf, solange: 

  • diese veröffentlicht sind 
  • sie einem abgegrenzten Kreis von Lernenden zur Verfügung gestellt werden 
  • das Ziel ein nicht-kommerzielles ist 
  • es einen „didaktischen“ Zweck verfolgt.

Bilder zu Dekozwecken sind somit ebenso wenig möglich, wie die Veröffentlichung auf einer Plattform, die uneingeschränkt zugänglich ist (z.B. Homepage oder YouTube). Dennoch ist dieser Absatz eigentlich relativ offen. Liest man aber den folgenden Abschnitt durch, so sieht man, dass eine Buchgruppe ausgenommen ist.

„(2) Abs. 1 gilt nicht für Werke, die ihrer Beschaffenheit und Bezeichnung nach zum Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmt [meine Hervorhebung] sind. Für Filmwerke gilt Abs. 1, wenn seit der Erstaufführung des Filmwerkes entweder im Inland oder in deutscher Sprache oder in einer Sprache einer in Österreich anerkannten Volksgruppe mindestens zwei Jahre vergangen sind.“

https://www.jusline.at/gesetz/urhg/paragraf/42g

Eine Beantwortung der Frage, wann es sich bei einem Werk um ein für den Schul- oder Unterrichtsgebrauch bestimmtes Werk handelt, hat der oberösterreichische Rechtsanwalt Michael Lanzinger in der Publikation Schulbuch oder kein Schulbuch? – Das ist hier die Frage! Wann gilt ein Buch als Schul- bzw. Lehrbuch iSd UrhG? (S. 75ff) unternommen. Wer sich unsicher ist, kann in seinem Schulbuch auch mal auf die erste (manchmal die letzte) Seite oder den Einband schauen, denn da findet sich das Vervielfältigungsverbot meist sogar sehr plakativ abgedruckt.

Das bedeutet also, dass aus Schulbüchern und allen Büchern, die für Lehre und Unterricht bestimmt sind, keine Kopien oder Scans gemacht werden dürfen, auch Fotos dürfen nicht angefertigt werden. Das betrifft also auch Bücher wie Sourire, Ciao oder Smile oder aber didaktisierte Materialien (zu Filmen und Ähnlichem).

Eine Ausnahme: Ich kann Schulbuchverlage immer um Erlaubnis fragen, ob ich ihre Materialien vervielfältigen und/oder adaptieren darf. Diese Option steht mir immer frei.   

4 Mythen 

Mythos 1: Aber ich darf die Inhalte doch abtippen. 

Naja, hierzu finden sich unterschiedliche Meinungen. Das Amt der Tiroler Landesregierung schreibt, dass das Abtippen erlaubt sei, in Deutschland (Baden-Württemberg) wird extra darauf hingewiesen, dass das Abtippen auch eine Vervielfältigung darstellt (Achtung, die sonstigen Informationen auf dieser Webseite sind aus 2013 – das Urheberrechtsgesetz NEU ist noch nicht berücksichtigt). Geschützt ist zwar die Form und nicht der Inhalt, aber grundsätzlich ist die Struktur eines Satzes oder Textes (d.h. die Anordnung der Wörter und das Zusammenfügen von Sätzen zu einem Text) eine Form und somit urheberrechtlich geschützt. Aber vielleicht irre ich mich hier.   

Mythos 2: 10% darf ich aber kopieren. 

Nein, diese Regelung hat sich auf Deutschland bezogen und in Österreich nicht gegolten. Siehe hierzu auch die deutsche Seite zur Schulbuchkopie (die aufgrund der Urheberrechtsnovelle in Deutschland gerade überarbeitet wird).  Iright.info, eine Webseite zu rechtlichen Fragen, die ich allen sehr empfehlen kann (wenngleich meist der Fokus auf Deutschland liegt), hat die Neuerungen für Deutschland zusammengefasst.   

Mythos 3: Wir haben das schon immer so gemacht, da kommt es niemand drauf. 

Nur, weil man etwas immer so gemacht hat, heißt das nicht, dass man es auch machen darf. Und nur weil man bislang nicht erwischt wurde, heißt das nicht, dass das auch für die Zukunft gilt. Es gibt für Firmen und Rechtsanwälte hier ein neues Geschäfts- und Betätigungsfeld: Urheberrechtsverletzungen werden explizit gesucht. Was in den USA und auch in Deutschland schon verbreitet ist, kommt in Österreich erst an. Die Fälle werden aber immer mehr.   

Mythos 4: Wenn ich die Quelle angebe, dann reicht das. 

Bei Schulbüchern eben leider nicht.   

Weitere Informationen gesucht?

Wer eine knappe und verständliche Erläuterung zum Urheberrechtsgesetz und vor allem zur Situation in Unterricht und Lehre sucht, sei auf die Präsentationen und Videos von Michael Lanzinger verwiesen, der es schafft, das Urheberrechtsgesetz so zu erklären, dass es auch Laien verstehen.  

Paragraph 78 UrhG 

Und auch ein Webdokument der Personalvertretung Pflichtschullehrer/innen, allerdings aus Oktober 2014 möchte ich hier verlinken, weil hier Vieles einfach und schön erklärt wird. Dieses besonders auch, weil hier ein zweiter nicht nur für die Schule sehr wichtiger Paragraph des Urheberrechtsgesetzes, nämlich §78 auch bekannt unter Recht am eigenen Bildnis, übersichtlich erklärt ist (siehe dazu auch eine Webseite einer Rechtsanwaltskanzlei). Dieser §78 ist sowohl in der Erstellung von Materialien für den Unterricht (z.B. Personenbeschreibung im Sprachunterricht) als auch im Umgang mit Schulveranstaltungen, der Schulhomepage, dem Jahresbericht und anderen Bereichen immens wichtig.   

Was ist der Ausweg? 

Wie so oft liegt der Ausweg im Teilen von Inhalten und somit in Open Educational Resources. Ich kann anderen die Nutzungsrechte zu meinen eigenen Materialien einräumen. Wenn mich nun aber jede/r einzeln danach fragen würde, dann hätte ich alle Hände voll zu tun, Erlaubnismails zu schreiben. Wenn ich meine Materialien Creative Commons lizenziere, dann sehen alle auf den ersten Blick, welche Rechte ich ihnen einräume und wie sie mich als Urheberin nennen sollen. Dazu gibt’s auf der Seite von Creative Commons ein einfaches Formular, das man ausfüllen kann. Wenn man unter Helfen Sie anderen, die Namensnennung korrekt vorzunehmen! Auf den blauen Link klickt, kann man auch die sog. Metadaten korrekt eintragen und beispielsweise auf eine persönliche Webseite verlinken, den Namen korrekt eintragen und Ähnliches. 

Quelle: Pixabay

Und was Schulbücher als OER betrifft, so geht auch das Ministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) in diese Richtung, wie beispielsweise die Machbarkeitsstudie zum Schulbuch als OER zeigt. Wer sich beim Thema Urheberrecht nicht so ganz sicher ist, kann auch eine vom Ministerium zur Verfügung gestellte Mini-Fortbildung (gratis und online) durchführen: Urheberrecht & freie Lizenzen für Lehrkräfte.