Manchmal bekommt man Fragen gestellt, mit denen man so nicht rechnet und auf die man keine Antwort hat.
In meinen Workshops und Publikationen verweise ich manchmal auf Dinge, die für mich persönlich vollkommen klar sind, die bei meinem Publikum aber große Augen hervorrufen. So beispielsweise das Verstecken von Weblinks hinter einem Wort. Ich nutze Begrifflichkeiten, die für andere unverständlich sind – spreche von Influencer*innen, von konnektivistischen Grundlagen, wehre mich gegen Lerntypen und Lernstile und zucke beim Wort Mehrwert zusammen. Binnendifferenzierung, Kompetenzorientierung und Lerner*innenzentrierung sind aus meinem täglichen Vokabular kaum wegzudenken. Ich konnotiere ständig, spreche manchmal in Metaphern… Mein Umfeld hat sich daran gewöhnt, aber jene, die mich nicht so gut kennen, schauen dann manchmal ganz groß.
Beobachter*innen xter Ordnung
Diese Menschen – außerhalb meiner privaten und professionellen Filterblase – sind mir besonders wichtig. Sie bringen mich auf den Boden der Realität zurück. Nein, Kahoot! ist noch nicht allen bekannt und nicht alle haben dieses Quiztool so satt wie ich. Nein, die Frage, ob der Konnektivismus eine Lerntheorie ist, haben sich nicht alle gestellt. Ja, der Mythos des Digital Native oder visuellen Lernenden hält sich nach wie vor. Menschen außerhalb meiner Filterblase bringen mich zum Nachdenken. Sie zeigen mir meinen blinden Fleck, sind meine Beobachter*innen zweiter Ordnung. Und eigentlich sollte ich als Lehrende ja Beobachterin zweiter Ordnung sein und meine Critical Friends sollten folglich Beobachter*innen dritter Ordnung sein.
Warum setzt Social Media auf Katzen?
Wissen Sie die Antwort auf diese Frage? Ich hab sie mir so noch nicht gestellt. Ich hab es einfach als Tatsache genommen: Willst du auf Social-Media-Kanälen Reichweite erzielen, setz am besten auf Katzenbilder oder Katzenvideos. Am besten funktionieren herzige und tapsige Babykatzen.

Gleiches gilt für Präsentationen: In jeder guten Präsentation ist mindestens eine Katze, darauf hat vor einigen Jahren Kurt Tutschek (@tutschek) in einer seiner Präsentationen hingewiesen. Die subjektive Wahrnehmung gibt dieser Aussage recht: Sobald die Katzenfolie zu sehen ist, geht ein leises oder lauteres Ohhhh… durch das Publikum… Warum ist das aber so? Nun, ich weiß es genauso wenig wie die Antwort auf die Frage: Warum funktioniert Kahoot! so gut?
[Damit werde ich mich aber am 21. November 2019 im Zuge eines Workshops am Tag der Fachdidaktik der Universität Graz auseinandersetzen.]
#CatContent zieht
Es gibt seit einigen Jahren Forschungen, die sich mit der Wirkung von #CatContent beschäftigen und versuchen, die Gründe für die Beliebtheit von Katzen v.a. im Kontext von Social Media zu erforschen. Einen ersten Hinweis darauf gibt der Eintrag auf Wikipedia.
Demnach spielen Katzen mit dem Kindchenschema, werden als besonders niedlich und herzig empfunden. Sie sind meist mit positiven Eigenschaften verbunden. Katzenvideos und Katzenbilder können dabei sowohl Grund für Prokrastination sein als auch die Produktivität steigern. So fasst Wikipedia Studien zusammen (siehe die Belege der Sekundärliteratur), die ich nicht nachgelesen habe, was ziemlich unwissenschaftlich ist. Viele Belege stammen aus (populärwissenschaftlichen) Magazinen, wie Der Stern oder Focus, Die Zeit. Auch das Schweizer Radio und Fernsehen hat sich dem Phänomen angenähert. Und dabei sind auch weniger süße Katzen, wie das Beispiel der Grumpy Cat zeigt, äußerst beliebt. Sie hat es zu einem der erfolgreichsten Internet-Memes geschafft.
Edith Podhovnik hat sich in ihrer Forschung mit der Rolle von Katzen in der Werbung beschäftigt und erklärt damit auch gesellschaftliche und kulturelle Phänomene.
Ist das eine Erklärung?
Nein, das alles erklärt nicht, warum Katzen zum Social-Media-Phänomen geworden sind. Es ist aber manchmal sehr schwierig, eine Erklärung dafür zu finden, warum etwas viral wird. Wenn man die Gründe googelt, warum ein Inhalt im Internet viral geht, dann finden sich gerade aus dem Marketing-Bereich zahlreiche Beispiele. So beispielsweise ein recht alter Artikel auf Brandwatch, der eine – nach wie vor – gute Zusammenfassung liefert. Für all jene, die nicht wissen, was Viralität bedeutet, hier übrigens eine kompakte Zusammenfassung.
Inhalte können ebenso der Grund sein, wie intertextuelle Anspielungen oder auch zum richtigen Zeitpunkt das richtige Video zu posten. Die Süddeutsche hat hierauf schon 2011 einen genaueren Blick geworfen. Auch LinkILike hat sich mit dem Thema beschäftigt.
Und die Antwort?
Über Viralität entscheidet für gewöhnlich die Community – das kann man an unterschiedlichen Stellen nachlesen, so auf T3N, bei den Netzpiloten oder im Standard. Das heißt nicht, dass es wissenschaftlich bewiesen ist, aber die subjektive Wahrnehmung geht in diese Richtung – vielleicht lässt sich hierzu noch Forschung betreiben.
Und die Wahrheit?
Um auf die Katzen zurückzukommen: Katzen sprechen viele Menschen an, aber nicht alle. Vor einigen Tagen habe ich einen Trailer aus Der gestiefelte Kater gepostet:
Man kennt wahrscheinlich auch die Szene mit dem Katzenblick:
Wie ist es mit diesem Video?
Wer noch ein bisschen Ohhh… möchte…
Ich könnte zahlreiche Videos aus meiner Timeline anfügen, in denen Katzen vorkommen und ich bin mir sicher, dass viele Leser*innen in ein Ohhh… oder ein Ahhh… verfallen. Aber eben nicht alle. Es gibt #DogContent, es gibt auch viele andere Tiere, die Emotionen auslösen. Wie man sich für Die Ärzte ODER Die Toten Hosen entscheidet, oder Fan der Beatles ODER der Rolling Stones ist, so entscheidet man sich zwischen Hund und Katze. Wenige mögen wahrscheinlich beide Tiere – oder vielleicht doch.
Jedenfalls und ich komme wieder auf die Ideen des Konstruktivismus oder des Neurolinguistischen Programmierens zurück: Unsere Wirklichkeit ist nicht die Wirklichkeit. Unsere Wirklichkeit ist nicht die einzige, sie ist eine konstruierte. Und nur weil wir Katzen mögen, muss es nicht sein, dass es auch unser Publikum tut. Klingt komisch, ist aber so – um die Sendung mit der berühmtesten Maus zu zitieren.