Wider die Typen!

Type und Token, ein Begriffspaar, das ich aus meinem Studium (in dem Fall dem Bereich der analytischen Sprachwissenschaft) nur zu gut kenne. Ganz vereinfacht ausgedrückt, handelt es sich beim Token um eine konkrete Realisierung bzw. das konkrete Vorkommen eines Type.

In order that a Type may be used, it has to be embodied in a Token which shall be a sign of the Type, and thereby of the object the Type signifies. I propose to call such a Token of a Type an Instance of the Type.

http://www.commens.org/dictionary/term/token

Menschen sind oftmals Schubladendenker*innen. Wir teilen Menschen in Typen ein und haben dabei vielfach sogar Spaß.

Quelle: Pixabay

Die lieben Sternzeichen

Frisch Verliebte googeln beispielsweise, ob die Sterne für ihre Beziehung gut stehen und ihre Sternzeichen zusammenpassen. Probieren Sie mal diesen Test aus der Zeitschrift Brigitte. Ich hab ehrlich gesagt geschmunzelt bei der Beschreibung der Typen. Manches trifft echt haarscharf zu. „Ja, es gibt einen Aszendent, der eine wichtige Rolle spielt“, werden Sie jetzt vielleicht einwerfen. Stimmt. Denn Typenbestimmungen sind oftmals nicht mehrdimensional. Außerdem sind die Typenbeschreibungen oftmals so geschrieben, dass sie auf alle und jede*n zutreffen könnten. Wie das Horoskop ja auch.

16 Personalities

Ich hab hier noch einen zweiten Test, der den Persönlichkeitstyp bestimmen soll. Ich habe ihn zwei Mal gemacht und beide Male kam etwas Ähnliches heraus. Beim Durchlesen der Typen hätte ich mich zwar als Mischtyp eingestuft. Aber, die werden hier nicht beschrieben. Sind Sie zufrieden mit Ihrem Ergebnis? Sehen Sie sich anders? Selbst- und Fremdwahrnehmung gehen ja oftmals getrennte Wege. Außerdem können wir uns ja auch mit den Jahren und Erfahrungen, die wir machen ändern.

Was hat das mit dem Lernen und Lehren zu tun?

Sehr viel. Sie kennen die bekannten Lerntypentests. Es gibt sie wie Sand am Meer (wahllos aus den Google-Ergebnissen Beispiel 1, Beispiel 2, Beispiel 3, Beispiel 4, Beispiel 5). Wissen Sie, welcher Typ Sie sind? Probieren Sie doch mal einen Test. Aber überlegen Sie sich zuerst, wie sie für gewöhnlich lernen. Notieren Sie sich fünf Charakteristika oder speichern Sie sich eine Sprachnachricht. Vielleicht stimmt der Test mit den Notizen überein. Vielleicht aber auch nicht. Achten wir beim Unterrichten auf diese Kanäle? Bieten wir Inhalte, Methoden und Materialien für alle Typen an?

Wir sind keine Types, wir sind Tokens.

Auch wenn wir unsere Sternzeichenbeschreibung gut getroffen finden, der Persönlichkeitstest unsere Persönlichkeit zeigt und wir wissen, welcher Lerntyp wir sind, so sind wir keine Typen. Wir sind Tokens. Die Landkarte ist (ja auch) nicht das Gebiet. Sie hilft uns, uns im Gebiet zurechtzufinden. Es ist schon praktisch, die Menschen in Typen einzuteilen, weil man sich auf wenige Typen und nicht viele Tokens einstellen muss. Jeder Mensch hat, konstruktivistisch gesehen, seinen eigenen Rucksack voller Erinnerungen und Erfahrungen zu tragen. Wir unterrichten Individuen und keine Typen.

Die vermeintlichen Lerntypen geben uns eine Richtung vor,  sie sind aber eher deskriptiv denn präskriptiv zu sehen. Was meint es, einen lerntypengerechten Unterricht zu gestalten? Es meint, einen abwechslungsreichen Unterricht zu gestalten.  Und auf die Vielfalt kommt es an. Dann spreche ich auch unterschiedliche Kanäle an – das VAKOG-Modell ist vielleicht bekannt. Wenn ich Inhalte sowohl visuell, als auch auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch aufbereite, dann bringe ich den Inhalt auf unterschiedliche Weise und wiederhole ihn dabei mehrfach. So kann auch Lernen funktionieren.

Was Schubladen bedeuten

Kennen Sie Marie Kondo? Sie hilft Menschen des 21. Jahrhunderts mit dem Überfluss an allem fertig zu werden, indem sie eine Methode geprägt hat, wie man Dinge sortiert, ordnet und faltet. Dabei setzt sie auf Boxen und Schubladen. Sich für eine Box oder Schublade zu entscheiden, heißt aber auch, sich gegen alle anderen zu entscheiden. Wohin tut man also die schwarze Stoffhose? Zu den Hosen? Zu den schwarzen Kleidungsstücken? Zum eleganten Gewand? Zum Bürogewand? Das hängt vom Sortiersystem ab. Es heißt aber, dass die Hose genau dort zu finden ist. Wenn ich die Schublade öffne, dann habe ich eine gewisse Erwartung. Typen kreieren ebenfalls Erwartungen – man denke an das Wort Stereotyp. Um aus einer Schublade wieder raus zu kommen, bedarf es einer Neuordnung des Systems, die wir nur vornehmen können, wenn wir unser System kennen. Diese Zeit zur Selbstreflexion sollten wir uns nehmen…