Am 14. September fand in Wien „Raising the Bar with Apple Technology“, eine Veranstaltung zum Thema „Everyone can code“ statt. Ohne eine Diskussion über das „richtige“ Betriebssystem oder den „richtigen“ Anbieter vom Zaun brechen zu wollen, hier ein paar Gedanken über die Veranstaltung.
Heterogenität
Auf der Veranstaltung hat sich gezeigt, wie unterschiedlich man an eine Produktpräsentation herangehen kann – sowohl auf Seiten der Vortragenden als auch der Zuhörenden. Wenn man als vortragende Person kein Feuer in sich trägt, dann tut sich auch ein – sicherlich intrinsisch motiviertes – Publikum schwer. Das hat man gemerkt. Einzelne Präsentationen waren erfrischend, einzelne weniger. So funktioniert auch Schule.
Überlegtheit
Ich weiß nicht, ob es das Wort so überhaupt gibt. Aber ich habe manchmal das Gefühl, dass bei Vorträgen Dinge gesagt werden, die man so nicht meint oder die man, wenn man den Vortrag noch mal hält, anders sagen würde. Ich kenne das ja auch von mir selbst. Aber wenn mir der Vortragende erklärt, dass das Werkzeug die Methode macht, dann – und jetzt auf gut Österreichisch – krieg ich alle Zustände. Ich überlege mir ein Lernziel (oder ein Lehrziel – besser aber, man denkt von den Lernenden aus) und sucht Möglichkeiten, dieses Ziel zu erreichen. Das Medium ist dabei nicht frei zu wählen, das ist schon klar. Es hängt immer davon ab, was man in der Schule so zur Verfügung hat, was man selbst einsetzen kann und möchte. Aber „DAS Digitale“ ist nicht immer DIE erste und/oder beste Lösung, besonders wenn man an die heterogenen Strukturen in einem Klassenzimmer denkt.
Anspruch
Den von Apple benutzten Leitspruch „Raising the bar“ mag ich. Er erinnert an den letzten Neurodidaktik-Workshop, den ich besucht habe, und die darin formulierte Forderung, die Lerner/innen zunächst zu fordern und dann zu fördern. Ganz technikunabhängig stelle ich immer wieder fest, und das ist auch in den Hochschulen ähnlich, dass vielfach „nur“ nivelliert wird. Die weniger Guten werden an den Standard herangeführt, die Mittelklasse da gehalten, für die oberhalb Liegenden gibt es nicht selten wenig Aufmerksamkeit. Denkt man den Unterricht lernendenzentriert und misst man die Leistungen der Schüler/innen nicht am Klassenmittel sondern am jeweils individuellen Fortschritt, verlieren Noten ihre Vergleichbarkeit und die Lehrperson hat mehr Arbeit. Eine derartige individuelle Betreuung würde aber wirklich jede*n einzelne*n ins Zentrum stellen, mit den jeweils individuellen Wünschen, Interessen und Bedürfnissen.
Testing
Die anwesenden Lehrenden waren lange Zeit sehr ruhig und interessiert zuhörend. Als es dann zur Fragemöglichkeit kam, war die erste Frage das „Und wie kann ich das Über- bzw. Abprüfen?“. Eine kurze Diskussion über Multiple Choice-Möglichkeiten und deren Sinnhaftigkeit entbrannte. Ja, auch Multiple Choice kann sinnvoll sein. Ja, auch Multiple Choice hat eine Daseinsberechtigung. Aber von einem lernendenzentrierten Unterricht sind wir da weit entfernt. Wenn die Schüler/innen die Fragen gegenseitig ausarbeiten, dann würden wir uns den Lernenden annähern, das Setting bleibt jedoch ein eher künstliches. Auf einer Metaebene im Sinne des Ansatzes Lernen durch Lehren wären wir aber weiter als das behavioristisch gefärbte Wissensabfragen (wobei es da ja nicht mal um Wissen sondern eher um Gedächtnisleistung geht). Ich verweise noch mal auf Philippe Wampflers (@phwampfler) Beitrag zum Kahoot-Sog.
Everyone can code!
Ja, das hätt ich mir auch nicht gedacht, dass ich nach meiner Visual-Basic-Erfahrung anno 19xx noch mal zum Programmieren (hier mit Swift Playgrounds) komme 😉 Spaß beiseite: Jede/r kann programmieren. Jeder kann analytisch denken. Jeder kann eine Sprache analytisch lernen. Das ist zumindest mein persönliches Fazit, das ich in der nächsten Zeit auch ein wenig ausdehnen möchte. Inzwischen war ja auch die eLearning Experts Conference in Eisenstadt (Blogpost dazu folgt), auf der ich gemeinsam mit meinem Kollegen Gerald Geier (@elgerinio) einen Beitrag zum Thema Fremdsprache und Programmiersprache halten durfte. Meine Überlegungen dazu folgen also in einem ausführlichen Posting. Später 😉
Fazit
Ich fand die Veranstaltung spannend und inspirierend zugleich. Nicht nur wegen des Austausches mit den Kolleginnen und Kollegen vor Ort, sondern auch weil mir mal wieder gezeigt wurde, dass es a) zahlreiche wichtige Initiativen gibt, die sich mit dem Lernen und Lehren aus ganz unterschiedlichen Perspektiven beschäftigen und es b) nicht auf das Device oder die Firma dahinter ankommt. Egal ob Android oder iOS, wenn ich nicht weiß, was ich mit einem Device anfange, dann kann ich es auch nicht sinnvoll einsetzen. Und egal, welches Gerät ich habe, ich kann meinen methodischen Weg gehen, wahrscheinlich mit ein paar Einschränkungen (je nach Gerät, Version des Betriebssystems oder auch eigener Expertise). Und ja, es gibt auch noch c) den Austausch mit Kolleg*innen, der viel stärker forciert gehört. So sehe ich, was andere machen und was anderen (nicht) gelingt. Das tut nicht nur mir selbst gut („Alle kochen nur mit Wasser.“), sondern zeigt auch neue Wege („Geht nicht, gibt’s nicht.“). Und das motiviert – zumindest mich – ungemein.