Anerkannte ELCHin

Die Universität Graz, genauer gesagt die Akademie für Neue Medien und Wissenstransfer, verleiht jedes Jahr (und heuer zum letzten Mal) den ELCH, also den E-Learning Champion, an Lehrende, die sich um den Einsatz digitaler Medien in der Lehre bemühen.

Heuer stand er unter dem Thema „Open Educational Resources“ (OER) und ich wurde zur Einreichung nominiert. Mein Zugang zu OER ist hinlänglich bekannt. Und ich habe ja auch schon darüber getwittert: Ich habe mit meiner Lehrveranstaltung über und mit OER den Anerkennungspreis 2017 gewonnen.

Quelle: Pixabay

Ich möchte nun auch die Einreichung teilen – und noch viel mehr die Laudatio, für die ich Leonhard Dobusch (@leonidobusch) von der Universität Innsbruck herzlich danke. Ich freue mich über seine Außensicht auf mich. Es ist spannend das Selbst- und das Fremdbild abgleichen zu können. Und es ist Balsam auf der Seele, dass ich das Bild vermittle, das ich für mich auch tatsächlich ausgesucht habe. Ich danke aber auch Roland, der mir die Laudatio geschnitten hat und noch einmal Leonhard Dobusch, der mir erlaubt hat, sie auf meinem Blog zu veröffentlichen.  

Hier meine Einreichung (ich habe lediglich den Zugang zu den die Lehrveranstaltung begleitenden Kursen geschlossen bzw. gelöscht).

Allgemeine Beschreibung

Das am Ende des Studiums romanistischer Sprachen angesiedelte allgemeine fachdidaktische Proseminar „Zeitgemäßer Fremdsprachenunterricht zwischen Open Educational Resources und offenen Methoden“ setzt sich vor dem Hintergrund des digi.kompP-Modells mit der Offenheit („Openness“) von Unterrichtsressourcen („Open Educational Resources“) und Unterrichtsmethoden („Open Educational Practices“) auseinander (vgl. Ehlers 2011). Dabei soll gezeigt werden, dass Offenheit nicht mit Angriff oder Fehlersuche gleichzusetzen ist, sondern vielmehr Möglichkeiten der Vernetzung (Stichwort: Connectivism) (vgl. Siemens 2005) sowie einer kritischen Feedback-Kultur zur eigenen Weiterentwicklung meint. Retain, Reuse, Remix, Revise und Redistribute (die 5R) als die von David Wiley (2014) definierten 5R von Open Content, in der deutschen Übersetzung von Jöran Muuß-Merholz (2015), Verwahren/ Vervielfältigen, Verwenden, Verarbeiten, Vermischen und Verbreiten genannt, sehen das Teilen von Educational Resources als eine Basis an und definieren gleichzeitig die 5 Freiheiten offener Materialien. Den (zukünftigen) Lehrenden soll gezeigt werden, welche Vorteile es hat, die Community als Qualitätskontrolle und Quelle gleichzeitig zu haben; ihnen soll dabei vor allem die Angst vor dem Fehler genommen werden. Auch in Schulbüchern sind Fehler, auch nach dem zehnten Korrekturleseprozess können noch Fehler vorhanden sein. Die Community hat frische Augen und kreative Ideen. Sie kann meine eigenen Materialien adaptieren, ergänzen, korrigieren und somit auch mir als Lehrperson wieder neue Ideen bringen. Kollaborativ und kreativ können somit individuell angepasste Unterrichtsmaterialien und -sequenzen entstehen.

Diese offene Einstellung sollte Lehramtsstudierenden von Beginn an nicht nur vermittelt, sondern vorgelebt werden. Neben dem digi.kompP-Modell (vgl. Brandhofer et al. 2016) wird auch das Modell der 4C, der sog. 21st century skills, gemeint sind Creativity and Innovation, Critical Thinking and Problem Solving sowie Communication und Collaboration, (vgl. NEA 2016) herangezogen. Die in der Lehrveranstaltung verwendeten Ressourcen sind nach Möglichkeit offen lizenziert, die von der Lehrveranstaltungsleiterin selbst erstellten Materialien (Arbeitsblätter, Blogbeiträge u.Ä.) sind es jedenfalls.

Diese allgemeine Forderung nach Offenheit geht auch mit einem Lehrplanbezug und Blick auf das Klassenzimmer einher: In einer medial pluralistischen Welt mit heterogenen Klassenstrukturen sind Lehrende schon lange nicht mehr nur fachlich wichtig, sondern übernehmen zahlreiche zusätzliche Funktionen. Wenn man dann auch noch bedenkt, dass im Lehrplan (nicht nur für erste und zweite lebende Fremdsprache) die Verwendung aktueller und vor allem authentischer Unterrichtsmaterialien als Forderungen verankert ist (vgl. BMB 2004a,b) und man weiß, wie a) einschränkend das in Kontinentaleuropa geltende Urheberrecht und b) wie lange der Approbationsprozess für Schulbücher und Unterrichtsmaterialien dauert, müssen handhabbare, effiziente und sichere Auswege gefunden werden. Open Educational Resources und Open Educational Practices können dies leisten.

Ziel des Proseminars ist es, dass die Studierenden nicht nur ein fundiertes Hintergrundwissen zum Thema Openness sondern vor allem offen lizenzierte Unterrichtsmaterialien und eine Ahnung davon, wo man diese (im Sinne eines Lifelong Learning-Ansatzes) findet, mitnehmen. Die Lehrveranstaltung wird folglich im Blended Learning-Format gehalten, die Teilnehmer/innen besuchen als Online-Einheiten Webinare und MOOCs, die für sie im Sinne des Lifelongs Learnings und als potentielle Quelle für Unterrichtsmaterialien und Methoden wichtig sein können (konkret am Landesinstitut für Pädagogik und Medien Saarland, an der Virtuellen Pädagogischen Hochschule und auf iMooX).

Die im Proseminar erstellten Unterrichtsbausteine und Unterrichtsressourcen sollen in ihrem Charakter offen sein und werden in offener Form veröffentlicht, um der Lehrer/innen-Community im deutschsprachigen Raum zur Verfügung zu stehen. Dieser Ansatz entspricht dem von Christian Ollivier formulierten Ansatz der Real-Life-Tasks (2012), dem gerade im Fremdsprachenunterricht (im Sinne authentischer Kontexte) eine zentrale Rolle beigemessen werden soll. Konkret handelt es sich um folgende kreative Abschlussleistungen:

  • Erstellen einer Lerntheke als offene Unterrichtsform mit offen lizenzierten Unterrichtsmaterialien (5 Stationen für die jeweilige Sprache unter Berücksichtigung des Lehrplans und des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens), die auch Open Access veröffentlicht werden und somit potentiell allen Lehrenden zur Verfügung stehen werden.
  • Verfassen eines wissenschaftlichen Short Papers in essayistischer Form, in dem sich die Studierenden mit dem Thema OER, offene Methoden und Urheberrecht kritisch auseinandersetzen müssen.

Lehr- und Lernziele

Die Studierenden…

  • … definieren “Offenheit” aus verschiedenen Blickwinkeln.
  • … lernen Open Educational Resources kennen.
  • … reflektieren ihre eigene Lehr- und Lernerfahrung in Hinblick auf „Offenheit“.
  • … werden für Binnendifferenzierung und Lernendenautonomie sensibilisiert.
  • … entwickeln neue Methoden und offene Settings.

Weiters geht es um…

  • … das Kennenlernen und Erproben mediendidaktischer Formate.
  • … das Kennenlernen von Good-Practice-Beispielen.
  • … die Erweiterung des eigenen Methodenrepertoires unter Anwendung offener Methoden.
  • … die Reflexion und Erprobung der erworbenen Kenntnisse in fremdsprachlichen Unterrichtsszenarien.
  • … die Erstellung und Adaption von Materialien für den praktischen Unterrichtseinsatz.
  • … den Transfer traditioneller Methoden in den virtuellen Lehr-/Lernraum.
  • … die Sensibilisierung für die Potentiale und Risiken des virtuellen Lehr-/Lernraums.

Beurteilungskriterien

  • Mitarbeit (online und Präsenz) [Bei Lehrveranstaltungen mit immanentem Prüfungscharakter ist eine Anwesenheit bei 80 % der vorgesehenen Kontaktstunden erforderlich (dies entspricht im Schnitt einer höchstens dreimaligen Abwesenheit mit Begründung).]
  • Aktive Teilnahme an kollaborativen Settings (online und Präsenz)
  • Hausübungen (online und Präsenz)
  • Kurzpräsentationen
  • schriftliche Abschlussarbeit (Entwicklung von Unterrichtsbausteinen und Open Educational Resources)

Mein Credo (unabhängig von der nominierten LV)

Wie vielleicht aus der Einreichung heraus zu lesen ist, ist es mir wichtig, den (zukünftigen) Lehrenden im Zuge des Proseminars zu zeigen, dass man (beim Sprachenlernen und auch Erstellen von Unterrichtsmaterialien) keine Angst vor Fehlern haben und diese vielmehr als Möglichkeit der Weiterentwicklung sehen sollte (Stichwort: Neue Fehlerkultur) und dass es Mittel und Wege gibt, urheberrechtlich sauber und dennoch – im Sinne einer Work-Life-Balance – zeiteffizient arbeiten zu können (wenngleich dies von einzelnen im Schuldienst stehenden Lehrenden nicht ganz so gesehen wird). Um dieses Ziel zu erreichen konzipiere ich meine Materialien (nicht nur in dieser LV, die ja auch aufgrund des Titels und Themas OER in den Vordergrund rückt) schon seit langem als Open Educational Resources und thematisiere OER in allen fachdidaktischen und mediendidaktischen Lehrveranstaltungen. Ich versuche, diese Offenheit vorzuleben und nicht nur zu predigen (siehe Blogbeiträge z.B.). Dabei möchte ich die Arbeiten der Studierenden nach Möglichkeit auch immer öffentlich publizieren, um sie einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Dies ist in der Vergangenheit als Open Access und Open Educational Resource zur Verfügung gestelltes E-Book oder als Veröffentlichung auf meinem Blog (Unterrichtsbausteine aus einem fachdidaktischen Proseminar bzw. Strategien zum Entdecken von Fake News in einem allgemeinen Kurs) passiert. Meine Gedanken habe ich auch ausführlich in „Offenheit als Chance: Warum wir unsere Klassenzimmer öffnen sollten“ (2017) dargelegt.[…]

Meine beiden Blogs: Digitalanalog.at bzw. Meine Sprachenkiste.

Quellen

  • Brandhofer, G., Kohl, A., Miglbauer, M. & Narosy, T. (2016): digi.kompP – Digitale Kompetenzen für Lehrende. Das digi.kompP-Modell im internationalen Vergleich und in der Praxis der österreichischen Pädagoginnen- und Pädagogenbildung. R&E Source, 6, 38-51.
  • Bundesministerium für Bildung (BMB) (2004a). Lehrpläne für die Pflichtgegenstände: Allgemeiner Teil. Teil 1-3. Wien. Online: https://www.bmb.gv.at/schulen/unterricht/lp/11668_11668.pdf?5s8x3v [01.10.2017].
  • Bundesministerium für Bildung (BMB) (2004b). Lehrpläne für die Pflichtgegenstände: Lebende Fremdsprache (Erste, Zweite). Wien. Online: https://www.bmb.gv.at/schulen/unterricht/lp/lp_ahs_os_lebende_fs_11854.pdf?5s8x2w [01.10.2017].
  • Ehlers, U.-D. (2011): Extending the Territory: From Open Educational Resources to Open Educational Practices. Journal of Open, Flexible and Distance Learning. 15 (2), 1-10. Online: http://www.jofdl.nz/index.php/JOFDL/issue/view/5 [01.10.2017]. [CC BY].
  • Höfler, E. (2017), Offenheit als Chance: Warum wir unsere Klassenzimmer öffnen sollten. Erziehung und Unterricht. Digitale Sonderausgabe: Lernen und Lehren mit Technologien: Vermittlung digitaler und informatischer Kompetenzen, 7-8 (2017), S. 45-50.
  • Muuß-Merholz, J. (2015), Zur Definition von „Open“ in „Open Educational Resources“ – die 5 R-Freiheiten nach David Wiley auf Deutsch als die 5 V-Freiheiten, online: https://open-educational-resources.de/5rs-auf-deutsch/. [CC BY].
  • National Education Association (NEA) (2016): Preparing 21st Century Students for a Global Society. Online http://www.nea.org/assets/docs/A-Guide-to-Four-Cs.pdf [01.10.2017].
  • Ollivier, C. (2012), „Real-life-Tasks im sozialen Web“, in: Wagner, Jürgen/Heckmann, Verena (Hrsg.), Web 2.0 im Fremdsprachenunterricht. Ein Praxisbuch für Lehrende in Schule und Hochschule, Glückstadt: Verlag Werner Hülsbusch, S. 206-213.
  • Siemens, G. (2005): Connectivism: A learning theory for the digital age. International Journal of Instructional Technology & Distance Learning, 2 (1), 3-10. Online http://www.itdl.org/Journal/Jan_05/Jan_05.pdf [01.10.2017]. [CC BY-NC-SA]
  • Virtuelle Pädagogische Hochschule (2016), Das digi.kompP Kompetenzmodell, online: http://www.virtuelle-ph.at/wp-content/uploads/2016/09/digi.kompP-Grafik-und-Deskriptoren-1.pdf [01.10.2017]. [CC BY-SA].
  • Wiley, D. (2014), The Access Compromise and the 5th R, online: https://opencontent.org/blog/archives/3221 [CC BY].