Der letzte Tag des Jahres bringt Menschen dazu, zurück und gleichzeitig nach vorne zu blicken. Das möchte ich auch tun und dabei eine sehr persönliche Rückschau halten, die erklärt, wieso sich Menschen und digitale Medien gar nicht so sehr voneinander unterscheiden.
2019: das Jahr ohne Vorsätze
Nun, wie viele andere Menschen auch, neige ich dazu, am Jahresende Vorsätze für das neue Jahr zu formulieren. Und ich spreche diese für gewöhnlich auch offen aus, damit ich mich selbst ein wenig unter Druck setze, die Ziele auch wirklich zu erreichen. Im letzten Jahr habe ich das nicht gemacht, nachdem ich 2018 kläglich gescheitert war. Ich hatte aber zwei Vorsätze: Intervallfasten und auch mal auf mich schauen. Das klingt jetzt vielleicht ziemlich überheblich, aber durch meine vielen Baustellen bleibt kaum Zeit für mich , da ich lieber für andere da bin, als mich um mich selbst zu kümmern. Das ist manchmal auch einfacher.

Nun, das mit dem Intervallfasten (Modell 16:8) habe ich durchgezogen und ich fühle mich nun am 365. Tag einfach großartig. Mein Ziel (1 kg weniger pro Monat) hab ich knapp nicht erreicht, aber wirklich nur knapp und wenn alles gut geht, folgen im nächsten Jahr 10-12 weitere Kilos. Für die Praxis heißt das: zwei Kleidergrößen weniger und eine Trachtenschneiderin, die heuer mit mir verzweifelt ist. Das mit dem Auf-Mich-Schauen, nun, da gibt es noch Potential, aber dazu später mehr.
2019: das Jahr des Schreibens
Ich schreibe für mein Leben gerne. Dieser Blog ist nur ein Beweis dafür. Er wurde im heurigen Jahr wiederbelebt und ich bin froh über die vielen positiven Rückmeldungen dazu. Ich hatte, als der Blog offline ging, keine Ahnung, wie sehr die beiden Blogs eigentlich gelesen werden. Dafür bin ich sehr dankbar, denn vielfach handelt es sich einfach um Meinungen und Einstellungen, die ich unter dem Deckmantel der Good Practice weitergebe.
Ich habe heuer richtig viel publiziert – in unterschiedlichen Bereichen (Fachdidaktik, Mediendidaktik, Literaturwissenschaft) – und auch meine alte Liebe zum journalistischen Schreiben wieder entdeckt. Mein erster Bildungsweg war ja eigentlich der der Journalistin, Lehrerin bin ich erst im zweiten Bildungsweg geworden, Literaturwissenschaftlerin im dritten, Mediendidaktikerin im vierten und Fachdidaktikerin im fünften. Also wenn man es genau nimmt… In meiner Brust schlagen alle fünf Herzen gemeinsam, nicht jedoch immer im Gleichklang.
Meine beiden Blogs haben heuer sehr viel Zeit in Anspruch genommen – auch der Mythenkalender war viel Aufwand, aber die Rückmeldungen haben vieles wieder gut gemacht. Der Mensch ist kein rational handelndes Wesen, das haben wir an den Mythen gesehen. Wir verlassen uns oft auf unseren Bauch statt auf den Kopf, oder die Meinung anderer oder auf was weiß ich was. Aber eben nicht auf Fakten, vor allem wenn die Fakten nicht so richtig greifbar sind.
2019: das Jahr der Begegnungen
Und weil der Mensch kein rational handelndes Wesen ist, ist auch die Lehrperson vielfach keine rational handelnde. Eine böse Aussage? Ich kann sie begründen: Nehmen wir unser Privatleben als Beispiel und die Menschen, mit denen wir uns umgeben.
- Typ 1: Es gibt die Familie, die man sich nicht aussuchen kann und von der man die einen lieber als die anderen hat, sich aber mit allen irgendwie zu arrangieren versucht.
- Typ 2: Es gibt Freund*innen, die uns schon ewig begleiten und auf die man sich immer verlassen kann, auch wenn man ewig keinen Kontakt hatte – es fühlt sich an wie gestern.
- Typ 3: Es gibt Menschen, die in unser Leben treten, richtig Eindruck hinterlassen, wenn man aber an ihrer Fassade kratzt und die wahre Person zum Vorschein kommt, dann ist man enttäuscht. Es sind die Blender*innen in unserem Leben, die uns in einer Anfangseuphorie eine kurze Zeit begleiten und manchmal aus Gewohnheit oder Faulheit bleiben.
- Typ 4: Es gibt Menschen, die uns ans Herz gewachsen und uns wichtig sind, die sich aber im Laufe der Zeit verändern und bei denen wir erst spät merken, dass wir uns mit ihnen die längste Zeit nur mehr arrangiert haben. Da wir aber Gewohnheitstiere sind, fällt eine Trennung richtig schwer, denn Alternativen zu finden, ist nicht immer leicht.
- Typ 5: Es gibt Menschen, die treten in dein Leben und du fragst dich: Wieso erst jetzt? Dich hätt‘ ich schon viel früher brauchen können. Und man wünscht sich, dass sie niemals gehen.
Es gibt noch viele andere Typen von Menschen in unserem Leben (und auch ganz viele Tokens). Diese fünf sollen nur exemplarisch genannt sein, weil sie mir 2019 „passiert“ sind. Wieso ich sie als Beispiel für die nicht rational handelnde Lehrperson heranziehe? Nun, so wie wir uns mit unserer Familie arrangieren, uns blenden lassen oder uns von Menschen, die sich verändern, nicht trennen können, so geht es uns auch mit digitalen Werkzeugen im und für den Unterricht.
- Typ 1: Hierunter fallen jene digitalen Werkzeuge, die man institutionell verwenden „muss“. So nutzen wir an der Universität Moodle und obwohl ich früher ein Fan der Lernplattform war, bin ich heute eher pragmatisch und nutze sie, weil sie da ist. Moodle hat mich in vielen Bereichen enttäuscht, läuft in anderen Bereichen stabil und ist eben einfach da.
- Typ 2: Es gibt digitale Werkzeuge, die sich schon seit Jahren am Markt halten und auf die man sich immer verlassen kann. Nun, für mich fühlt sich Tutory so an. Wenngleich hier im November ein riesengroßes Update ausgerollt wurde, so weiß ich doch, dass ich mich auf Tutory immer verlassen kann. Auch PowerPoint gehört für mich mittlerweile (nach einer Phase der Trennung) wieder dazu. Auch Padlet ist mein kleiner Alleskönner, der mir ermöglicht, spontan zu reagieren, unterschiedliche Unterrichtssettings umzusetzen und mit meinen Studierenden gemeinsam zu arbeiten. Ja, Padlet hat sich in den letzten Jahren durch die Änderung des Kostenmodells in eine Richtung entwickelt, die nicht optimal ist. Ich für mich muss aber sagen, dass unsere Freundschaft schon so lange hält, dass ich damit leben kann (da ich 110 freie Padlets anlegen darf). Ich hätte mit den LearningApps auch noch einen weiteren Vertreter, auf den ich nicht verzichten möchte, wenngleich es sicherlich bessere Alternativen gibt (man definiere an dieser Stelle aber vielleicht besser). Mein Passwortmanager gehört auch dazu (wie lange ich mich dazu überreden hab lassen und jetzt find ich ihn einfach nur praktisch). Ja, und natürlich last not least Twitter, der Platz der #EduPnx von #BayernEdu und dem #Twitterlehrerzimmer – Inspirationsquellen 365( +1) Tage im Jahr.
- Typ 3: Die Blender unter den digitalen Werkzeugen – ja, dazu gehören einige, aber aufgegeben habe ich deshalb (beinahe gänzlich) Prezi, Kahoot! und auch Learni.st (das es nicht mal mehr gibt, wie ich gerade merke). Die Werkzeuge waren nett, haben aber letztlich nicht gehalten, was sie versprochen haben. Ich nutze sie also kaum oder überhaupt gar nicht mehr. Es gibt davon noch viele weitere, aber an viele Namen kann ich mich gar nicht mehr erinnern.
- Typ 4: Mein Negativbeispiel im heurigen Jahr ist hier sicherlich Scoop.it, das ich als Content Curation Tool jahrelang sehr glücklich genutzt habe. Durch die Änderung der Kostenmodelle ist das Werkzeug leider unbrauchbar geworden. Schade, denn ich hatte schon richtig schöne Sammlungen angelegt. Die Alternative hat sich aber nach einer Zeit gefunden gehabt: Wakelet. Mal schauen, ob es sich als Typ 3 oder Typ 5 beweist. Bei Pixlr bin ich mir noch nicht sicher, weil es gerade im Umbau ist.
- Typ 5: Was mich 2019 besonders nachhaltig geprägt hat, sind Canva (beinahe eine alte Liebe, die plötzlich wieder aufgetaucht ist), iMovie, Adobe Spark (Video und Post) und Lyricstraining. Sie sind in meinem Leben aufgetaucht und ich nutze sie wirklich ständig, für alles und immer. Und ich kann mir gar nicht vorstellen, wie es ohne war. Nun, vielleicht ist es nicht so schlimm, aber es fühlt sich irgendwie so an.
Vielleicht noch mal auf den Punkt gebracht: Egal wie vielen Mythen wir aufgesessen sind, Lehrpersonen handeln vielfach nach bestem Wissen und Gewissen. Aber eben nicht rational – zumindest nicht für Außenstehende oder Beobachter zweiter Ordnung. Die Diskussion Didaktik vor Technik oder auch der Ansatz Vom Lernziel zum Werkzeug sind schön und (vorsichtig formuliert: wahrscheinlich) richtig, vieles ist aber vielleicht kasuistisch zu sehen. Ihr könnt mich auf die genannten Werkzeuge festnageln, ich habe auch viele Alternativen dazu (weil ich teilweise auch beruflich einfach die Möglichkeit habe, neue Werkzeuge auszuprobieren), aber manchmal schränken Rahmenbedingungen oder auch persönliche Überzeugungen vielfach ein. Aber eigentlich können wir froh sein, dass die Schüler*innen als Lehrpersonen Tokens und keine Types haben, denn die Vielfalt der Persönlichkeiten und der Stile ist für das Lernen wichtig.
2019: das Jahr der alten Lieben
Apropos alte Liebe – nun, da haben sich noch drei wieder in mein Leben geschlichen. Ich schreibe wieder journalistisch (v.a. für den Steirischen Blasmusikverband im Johann). Ich schreibe wieder lyrisch (meist Texte nach Bauplan) und ich lese wieder Bücher, die nichts mit der Arbeit zu tun haben, sondern mich einfach so interessieren. Sowohl die Lyrik als auch die Wiederentdeckung des lustvollen Lesens haben Menschen in mein Leben gezaubert, mit denen ich heuer zusammenarbeiten durfte (und auch im nächsten Jahr zusammenarbeiten werde). Es ist schön, wenn man Inspirationsquellen in seinem Umfeld hat, die einen auch über den eigenen Schatten springen lassen.
2019: das Jahr der neuen Herausforderungen
Neben vielen spannenden Vorträgen und Publikationen (u.a. für den Thüringer Juristenverband) bin ich seit September Beirätin im Steirischen Blasmusikverband – eine wirklich spannende Herausforderung, die aber richtig Spaß macht. Im Mai durfte ich im Zuge des Jubiläumsjahres meines Musikvereins gemeinsam mit dem Obmann des Vereins die 40-Jahr-Feier (ein zweitägiges Fest mit knapp 1000 Leuten am ersten Tag) organisieren. Mit einem halben Jahr Abstand kann man resümieren: Guat is gangen, nix is g’schehn. Man wächst eben mit den Herausforderungen und lernt aus ihnen.
2019: das Jahr der Freunde nicht der Friends
Ich liebe die Menschen meiner Filterblase auf den unterschiedlichen Social-Media-Kanälen. Sie inspirieren, sie diskutieren und polarisieren. Sie sind Friends, einige davon auch Freund*innen. Die Erkenntnis ist keine neue. Natürlich sind die Menschen, mit denen man Inhalte auf Social Media teilt, nicht unbedingt Freund*innen. Sie sind gute Bekannte, die mich teilweise besser kennen als meine Familie, weil ich relativ offen auf Facebook, Instagram und Twitter unterwegs bin, aber auch sehr bewusst Dinge teile. Das Schöne an Social Media ist, dass man hier ein Bild von sich gestalten kann, das nicht unbedingt der Realität entsprechen muss. Man kann sich hinter den Bildern der schönen heilen Welt verstecken, sich stilisieren, eine Marke kreieren und leben. Jugendliche und junge Erwachsene tun dies zunehmend und das wird zum Problem, wenn Realität und Fiktion nicht mehr auseinandergehalten werden können (Stichwort: Filter oder Deep Fake). Letztlich bleiben Social Media aber sehr oberflächlich.
Ein sehr privates Beispiel: Wenn mich Dinge belasten, schlägt sich das bei mir auf den Magen. Und ich esse dann nicht (übrigens kein probates Mittel um abzunehmen – Stichwort: Jojo-Effekt), also gar nicht. Im heurigen Sommer war ich knapp zwei Monate beinahe komplett außer Gefecht – die meisten haben davon nichts mitbekommen, weil mein Social-Media-Leben bewusst weitergegangen ist. Dass ich knapp drei Wochen so gut wie nichts gegessen habe, v.a. während der richtig heißen Tage im Juli, war nicht gerade optimal. Wenn ich hier nicht drei wirklich gute, reale (nicht virtuelle) Freunde gehabt hätte, die mir die Leviten gelesen haben… Ich habe deshalb aber keinen zweiten Insta-Account aufgemacht, wie viele Jugendliche, die einen Heile-Welt-Account und einen Echtes-Leben-Account haben. Auch das ist in der Welt von Social Media mittlerweile beinahe normal.
2020: das Jahr der Räuber, der Achtsamkeit, ohne Rechtfertigungen
Ein Jahresrückblick sollte doch immer auch einen Ausblick beinhalten, oder? Nun, für mich wird 2020 das Jahr sein, in dem ich meine Promotionsschrift über die literarische Figur des Räubers in der europäischen Literatur des 18. und 19. Jahrhunderts vielleicht/hoffentlich endlich als Monographie veröffentliche. Ich muss sie dafür nur von 650 auf lesbare 250 bis 300 Seiten kürzen…

Daneben will ich im Jahr 2020 achtsamer agieren. Man hat nur ein Leben. Als mich vor einiger Zeit jemand gefragt hat, was ich in meinem Leben wirklich genieße, wurde mir bewusst, dass ich viel zu selten innehalte und den Moment bewusst genieße. Ich bin halt sehr „gschaftig“, wie meine Tante immer zu sagen pflegte. Momente der Ruhe und des Müßiggangs möchte ich mir bewusst schaffen.

Mein dritter Vorsatz ist ein ebenfalls nicht ganz einfacher: Ich rechtfertige mich ständig für Entscheidungen oder Aussagen und lasse mich dabei auch gerne in eine Defensivstellung drängen. Für mich waren Rechtfertigungen vielfach einfach Erklärungen oder Begründungen, aber man kann das Verhalten auch Rechtfertigen nennen. Darauf möchte ich 2020 (vorsichtig formuliert) weitgehend verzichten. Entscheidungen, die man trifft, sind getroffen, Sätze, die man sagt, sind gesagt. Man sieht: Ich verwende das Perfekt, es ist abgeschlossen. Erklärungen sind auf Nachfrage in Ordnung, aber eine Rechtfertigung gleich mitzuliefern, rein prophylaktisch, ist vielfach nicht notwendig.
Das sind meine drei Vorsätze für 2020 und ich will sie mit euch teilen, damit ihr mich immer mal wieder dran erinnert. Das ist meine Aufgabe an euch – typisch Lehrerin eben 😉

Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch ins neue Jahr, das uns mit seinen 366 Tagen ebenso viele Möglichkeiten bietet, unvergessliche Momente zu erleben und wunderbare Erinnerungen zu sammeln! Möge das neue Jahr für euch viel Glück, Gesundheit und Zufriedenheit bereithalten!