Es gibt sie, die Modewörter der digitalen Bildung, nennen wir sie Buzzwords oder Passe-Partout… Es gibt kaum eine Diskussion, die ohne sie auskommt, kaum ein Artikel, in dem sie nicht bemüht werden.
Im wissenschaftlichen Kontext ist man für gewöhnlich bemüht, jene Begriffe, mit denen man arbeitet, auch zu operationalisieren. Das heißt, man betrachtet unterschiedliche Definitionen und Perspektiven, Richtungen und Deutungen. Man wägt sie untereinander ab und entscheidet sich für eine Richtung, eine Verstehensrichtung, eine Perspektive oder auch eine Schule. Diese legt man auch dar und begründet seine Auswahl. Für gewöhnlich jedenfalls (außer man will seine Grundeinstellung verrätseln, aber das ist eine andere Geschichte).
Auf Twitter, Instagram oder Facebook (und darüber hinaus) geführte Diskurse über digitale Medien, digitale Bildung oder digitale Kompetenzen (man könnte hier – ganz böse formuliert – jedes Hauptwort um das Attribut digital erweitern) gehen nicht selten den anderen Weg. Hier wird mit Begriffen gearbeitet und argumentiert, wobei immer wieder davon ausgegangen wird, dass die Filterblase „eh weiß, was gemeint ist und wovon gesprochen wird“. Naja, nein. Eigentlich nicht. Und das Verwenden von Buzzwords macht einen Text auch nicht besser.
In der Vorwoche bin ich auf Twitter zufällig in eine Diskussion über die sogenannten und berühmten 4C’s geraten. Oder darüber gestolpert worden. Jedenfalls – und ich nehme mich selbst nicht aus – sind diese sogenannten 21st century skills ein wunderbares Beispiel dieses Buzzwording-Phänomens. Es gibt nur wenige Texte, die nicht auf die 21st century skills referenzieren, ohne die „ein Leben im 21. Jahrhundert beinahe nicht mehr denkbar ist“. Oder so ähnlich… Es sind jene Kompetenzen, die uns von den Maschinen unterscheidbar machen, die uns als Menschen auszeichnen…
Nun, ich will mal typisch Österreichisch drauf antworten: Jein. Hinter diesen Kompetenzen, die keine Kompetenzen sind sondern Skills (Jöran Muuß-Merholz hat auf die begriffliche Verirrung bereits hingewiesen), verstecken sich Eigenschaften, die wir eigentlich schon immer gebraucht haben: Creativity, Communication, Collaboration und Critical Thinking. Was sich dahinter nicht versteckt, kann man bei Jöran Muuß-Merholz nachlesen. Einen Hinweis auf die „richtige“ Verwendung gibt Andreas Schleicher, wenn es so etwas wie richtig überhaupt gibt. Was darunter im Unterricht verstanden wird, hat die National Education Association, die sich gemeinsam mit P21 für die Popularität des Begriffs verantwortlich zeichnet, zusammengefasst. Es gibt mittlerweile eine Vielzahl an Blogposts zum Thema… Den Überblick könnte man beinahe verlieren.
Beiträge zur weiteren Lektüre
- Lisa Rosas Beiträge
- Bob Blumes: DISKUSSION: Anmerkungen zu dem 4K Modell des Lernens
- Warum 4K als Leitidee nicht taugen auf Bildungslücken (inkl. der Kommentare)
- Jan Vedder in Digitalien sucht das Supermodell (eine schöne Zusammenschau vieler Buzzwords)
- Ines Bieler mit 4Ks – nicht nur für S*S relevant
- 4K-Skills und was diese für unsere Berufsschule bedeuten könnten.
- 4K-Modell des Lernens auf #DiBiAMAS
Vor allem, wenn man bedenkt, dass irgendjemand genau diese 4C’s ausgewählt hat. Es hätten aber auch andere Skills ausgewählt werden können. Es gibt mittlerweile eine Übersicht über 6C‘s und auch 8C‘s und sie alle haben ihre Berechtigung. Sie sind aber keine digitalen Kompetenzen im engeren oder weiteren Sinne. Ich würde diese Skills nicht priorisieren wollen, sie haben alle ihre Daseinsberechtigung und ich würde jedenfalls noch zwei C’s hinzunehmen: Computational Thinking und Connectivism. Sind es Skills? Nein. Der Connectivism ist wohl eher eine Einstellung, jedenfalls keine Lerntheorie, wie Joachim Wedekind schon früh festgestellt hat. Man erkennt vielleicht, dass es sich hierbei um kein Modell handelt, sondern um ein Mindset, um Skills eben, die ihm Rahmen der aktuellen gesellschaftlichen Entwicklungen zentral sind. Das bedeutet aber nicht, dass sie es nicht schon immer waren.

Wieso sind sie aber so beliebt, wenn wir sie nicht klar definieren können und wenn sie eigentlich auch willkürlich in der Exklusivität wirken? Weil sie uns eine Orientierung sind und wir einen Teil dessen, was wir tun und wollen, über die 4C’s legitimieren können. Wer ist dieses Wir? Es ist meine digitale Filterblase oder noch besser Echokammer. Philippe Wampfler hat in zwei Blogposts über die Elite des #Twitterlehrerzimmers geschrieben (ganz verkürzt aufgeschrieben). Ich nehme mich auch hier nicht aus – ich werde zu Workshops eingeladen, halte Vorträge, publiziere und schreibe meine Gedanken in Blogposts auf. Ich zähle mich aber keinesfalls zum Kreis einer vermeintlichen Elite, wenngleich die Diskussionen, die wir auf Twitter führen, für Personen außerhalb der Filterblase kryptisch und auch ziemlich abgehoben klingen können. Meine Gedanken sind nicht kreativ und nicht elitär, sie sind vielleicht kritisch… Ein paar der C’s lebe ich.
Warum ich blogge?
Ich teile meine Gedanken, weil ich das Gefühl habe, anderen geht’s ähnlich. Und wenn ich etwas gelernt habe während meiner langen Dissertations-Schreib-Zeit, dann ist es die Wichtigkeit, dass man sich mit anderen austauscht und nicht mit dem Gefühl daheim sitzt, dass man mit diesen Problemen alleine auf der Welt ist. Es geht nicht nur einem selbst so. Connectivism heißt für mich, dem Netzwerk auch etwas zurückzugeben. Es inspiriert mich und ich möchte meine Zugänge dazu kommunizieren. So funktionieren Netzwerke. Ich gebe auch im realen Leben, #irl, meinen Senf überall dazu. So bin ich. Ich versuche, Materialien als Open Educational Resources zu publizieren und dem Netzwerk zur Verfügung zu stellen. So auch meine Gedanken und Überlegungen. Wenn mich etwas nervt, dann möchte ich es ansprechen. Wenn mich etwas beschäftigt, möchte ich es loswerden. Und wenn ich etwas (mit)teile, freue ich mich über Feedback.
In meinen Augen ist die Aufgabe des #twitterlehrerzimmers oder auch der #EduPnx und ähnlicher Netzwerke, die Gedanken, die im Netzwerk geboren und diskutiert werden, mit nach draußen zu nehmen und auf ihre Alltagstauglichkeit hin zu überprüfen oder überprüfen zu lassen. Denn, und ich habe in letzter Zeit oftmals darüber diskutiert, wenn ich auch schon gar nicht mehr über Kahoot! sprechen will und es in meinen Workshops gerne außen vor lasse, so überrascht bin ich, wie viel Erstaunen es immer noch erzeugt. Ich hatte immer das Gefühl, Kahoot! ist durch weil bereits totgeworkshopt, aber ich werde immer wieder überrascht, weil mich die Welt außerhalb der Filterblase auf den Boden der Realität zurückholt.
Am Rande…
Wie wäre es übrigens mit dem 5Cs der digitalen Geschäftsmodelltypen oder den 6C’s des Nursing.