Mythenkalender #19: Digital Natives

Homo Zappiens, die App- und Net-Generation sowie Digital Natives. Wie oft haben wir bereits gehört, dass sich Schule, Hochschule und die Arbeitswelt gänzlich verändern müssen, da eine neue, vollkommen andere Generation an jungen Menschen heranwächst?

Quelle: Pixabay

Eine neue Generation?

Was zeichnet diese Generation aus (vgl. De Bruyckere, Kirschner, & Hulshof, 2015, S. 140):

  • Sie leben, denken und lernen anders als alle bisherigen Generationen.
  • Sie führen eine digitale Revolution an, die die Gesellschaft grundlegend verändern wird.
  • Sie kennen sich von Natur aus mit jeglicher modernen Technik aus.
  • Sie sind Multitasker*innen (siehe Lernmythos #11), teamfähig und arbeiten kollaborativ.
  • Sie beherrschen die Sprache der Technologie und ihre Ansichten zu technologischen Entwicklungen unterscheiden sich von jenen der anderen Generationen.
  • Sie bevorzugen das Spielen und interaktive Simulationen.
  • Sie erwarten sich sofortige Belohnungen und tolerieren keine Verzögerungen.
  • Sie sind das Spiegelbild der Wissensgesellschaft.

Klingt vielleicht gut, ist aber ein Mythos. Es gibt keine Digital Natives!

Bei diesem Mythos zeigen De Bruyckere et al. (2015) ein gänzlich anderes Gesicht, als etwa beim Kapitel zu den Online-Videos (#10). Sie nehmen sich kein Blatt vor den Mund und sagen klar ihre Meinung: Sie können die Wörter Digital Natives einfach nicht mehr hören!

Die Bezeichnung geht zurück auf Marc Prensky, hat nichts mit Wissenschaft zu tun, sondern beruht einzig auf Beobachtungen, die er versucht hat, rational zu erklären (De Bruyckere et al., 2015, S. 139).

Verschiedene Metaanalysen konnten bereits zeigen, dass diese Bezeichnung und die damit verbundenen Eigenschaften einfach nicht zutreffen. Weder verfügen Kinder und Jugendliche von Natur aus über besondere Fähigkeiten, mit gegenwärtigen Technologien umzugehen, noch wünschen sie sich eine gänzlich neue Form des Lehrens und Lernens. Wie wir bereits bei Mythos #16 zusammengefasst haben, nutzen junge Menschen Technologien in erster Linie für Unterhaltung und private Angelegenheiten. Lernen gehört hier auch dazu, genutzt werden bekannte Ressourcen wie Wikipedia und Google.

Da die notwendigen Skills eben fehlen, kommt es laut Kirschner und van Merrienboer (zitiert nach De Bruyckere et al., 2015, S. 141) zu einer neuen Form von ADHS. Dabei klicken sich Kinder und Jugendliche ohne Ziel und „flatterhaft“ von einem Link zum anderen, um dann auf einer Seite zu enden, die völlig irrelevante Informationen beinhaltet. Wiederum ein Hinweis darauf, wie wichtig die Entwicklung von Data bzw. Information Literacy ist. Dabei gilt es zu bedenken, wie wichtig Wissen dafür ist.

Was nun?

Zusammengefasst kann festgehalten, dass es weder eine neue Generation gibt, die von Natur aus mehr Wissen über oder Fähigkeiten in Bezug auf neue Technologien innehat, noch dass diese Generation den Wunsch hat, gänzlich anders zu lernen als vorherige Generationen. Darauf haben wir bereits bei Mythos #15 verwiesen. De Bruyckere et al. (2015) bekräftigen diese Aussage in diesem Kapitel noch und verweisen auf eine Zusammenfassung der wissenschaftlichen Literatur bei Jones und Shao (2011).

Weiterführende Literatur

Quelle

  • De Bruyckere, Pedro; Kirschner, Paul A. & Hulshof, Casper D. (2015). „Myths about Technology in Education: Myth 3: Today’s Digital Natives Are a New Generation Who Want a New Style of Education“, in: dies. (Hg.), Urban Myths about Learning and Education. Amsterdam et al.: Elsevier: 139-144.

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