Die Sache mit den Kompetenzen

Aktuell geistern viele Beiträge zu den im 21. Jahrhundert benötigten Kompetenzen durch Social-Media-Kanäle. Eine Zusammenschau.

Vielleicht täuscht es mich und ich bin einfach sehr sensibel auf das Thema. Oder vielleicht ist es einfach meine Echokammer-Filterblase, die gerade so eingestellt ist, aber ich habe das Gefühl, dass aktuell vermehrt Beiträge zu Kompetenzen geschrieben und verbreitet werden. Gemeint sind nicht nur digitale Kompetenzen, wie auch immer diese aussehen sollen/können, sondern Medienkompetenz(en) allgemein oder noch allgemeiner: im 21. Jahrhundert notwendige Kompetenzen.

Der Klassiker: Die 4C (und mehr)

Die 4C – communication, collaboration, creativity und critical thinking – gehören beinahe schon zu den Klassikern, die in diesem Kontext genannt werden. Jöran Muuß-Merholz Artikel zum Thema passt hier immer noch als grundlegende Lektüre, da die 4C auch gerne mal falsch verstanden oder falsch ausgelegt werden. Und dabei sind diese Skills auch nur eine der vier (!) Dimensionen von Bildung, die wichtig erscheinen, neben Wissen, Charakter und Meta-Lernen (siehe: Charles Fadel, Maya Bialik und Bernie Trilling: Die vier Dimensionen der Bildung). Das wird gerne übersehen, wenn die Diskussion darüber den Wert des Wissens und des Charakters entfacht, die in den Skills mitgemeint sind und irgendwie ihre Basis bilden. Es geht nicht darum, Wissen und Skills gegeneinander auszuspielen. Sie ergänzen einander (siehe hierzu auch den Beitrag und die Kritik am Schulsystem Von Prüfungen zu Kompetenznachweisen zu Kollaboration von Philippe Wampfler aus dem Juni 2020).

Quelle: Pixabay

Und gleichzeitig sind die Ebenen der Dimension Skill auch gleichzeitig der gemeinsame Nenner für viele andere Herangehensweisen an die Kompetenz-Diskussionen, die so herumschwirren. Welche Fähigkeiten brauche ich, um mit anderen zusammenarbeiten zu können? Welche Fähigkeiten brauche ich, um meine Gedanken und Ideen kommunizieren zu können? Philippe Wampfler hat die Diskussion in seinem Beitrag Warum Kompetenzen den Kern von Bildung darstellen – und was daraus folgt übersichtlich und verständlich zusammengefasst. Hier sein Tweet inklusive Kommentaren dazu:

Es geht in der Diskussion um zeitgemäßes Lernen um das Tun. Es geht um Verben und nicht um Nomen. Ein schönes Fazit eigentlich und nicht nur eigentlich. Wir brauchen Wissen, wir brauchen ein gewisses Mindset, wir brauchen den Charakter, um es auch umzusetzen. Wir brauchen Strategien, um zu lernen, zu bewerten und mit Informationen und Erfahrungen umzugehen. Damit sind wir in den vier Dimensionen der Bildung zurück. In diese Richtung argumentiert auch Klaus Peren in seinem Beitrag Neue Kompetenzen für die digitale Welt vom 5. Jänner 2021. Er fasst drei Studien und ihre Ergebnisse zusammen, die zeigen, welche Kompetenzen notwendig bzw. auch unerlässlich sind. Betrachtet man den Beitrag, sieht man vier Dimensionen der Bildung klar und deutlich, wenngleich sie nicht in diesen Dimensionen genannt sind. Auch der Beitrag The Future of Work Will Demand These 8 New Skills von Tracy Brower in der Forbes (14. Februar 2021) zeigt die Wichtigkeit des Mindsets auf, wobei die genannten Skills in die jeweiligen Dimensionen der Bildung eingebettet werden können.

Die Medienkompetenz als Beispiel

Schauen wir uns beispielsweise die Überlegungen zur Medienkompetenz von Dieter Baacke an, der Medienkompetenz mit Handlungsorientierung und (strategischem) Wissen verbindet. Die vier Säulen der Medienkompetenz setzen sich laut Baacke (und diese Überlegungen stammen aus 2001 und sind somit nicht auf die digitale Welt zu beschränken) aus Medienkritik, Medienkunde, Mediennutzung und Mediengestaltung zusammen. Es geht darum, Medien kritisch zu betrachten und die Kritik auch äußern zu können. Es geht darum, Medien selbst gestalten zu können, aber auch Strategien und Mechanismen der Mediengestaltung (z.B. in der Werbung, im Clickbait) identifizieren zu können. Es geht darum, Zusammenhänge herzustellen und auch zu wissen, welche Medien es gibt, wer diese Medien bedient (und sich beispielsweise auch das Impressum anzusehen, was ja immer wieder auch als Tipp zum Identifizieren von Fake Profilen genannt wird). [Ergänzung: Wer eine übersichtliche Zusammenschau verschiedener Medienkompetenzmodelle sucht, wird auf der Seite des LMZ, des Landesmedienzentrums Baden-Württemberg fündig.]

Quelle: Pixabay

Eine sehr schöne Engführung und gleichzeitig Unterscheidung von Medienkompetenz und Digital Literacy liefern Kristin Narr und Christian Friedrich im gleichnamigen Beitrag auf der Webseite der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb) vom 22. Februar 2021. Friedrich zeigt dabei die Erweiterung der 4C auf 8C, die jeweils Eigenschaften bezeichnen: cultural, creative, constructive, communicative, confident, cognitive, critical, civic. Dabei sind Eigenschaften des Menschen ebenso gemeint wie Eigenschaften der menschlichen Handlungen und Denkweisen.

Das attributive „Selbst“ als Lösung?!

Was nun, wenn die Lösung einfach das Selbst ist? Gemeint ist das (selbst) Denken, das (selbst) Agieren, das (selbst) Nachdenken, das (selbst) Lernen, das (selbst) Forschen, das (selbst) Überprüfen… Die Liste ließe sich noch um so manches Verb ergänzen und damit verlängern. Jöran Muuß-Merholz hat bereits 2017 diese Austauschbarkeit in seinem Blogbeitrag Die 4K-Skills: Was meint Kreativität, Kritisches Denken, Kollaboration, Kommunikation? deutlich gezeigt. Es geht um das Tun an sich. Es geht um die Einstellung des Menschen und sein Handeln.

Nur das Denken, das wir leben, hat einen Wert.

(Hermann Hesse)

Was wenn die Lösung ist, dass wir uns nicht auf andere verlassen und dass wir bei uns selbst beginnen? Wenn wir nicht andere ändern, sondern uns um uns selbst kümmern? Wenn wir den Dreck nicht vor des Anderen Tür kehren sondern bei unserer eigenen beginnen? Wenn wir schauen, dass wir mit uns selbst im Reinen sind und nicht die anderen auffordern, für unsere Reinheit zu sorgen? Was wenn wir die Fehler nicht zuerst bei den anderen und erst dann bei uns selbst suchen?

Der Aufbau eines lernenden Netzwerks zum Lernen

Kompetenzen können wir dabei überall erwerben, nicht nur in der Schule oder in Fortbildungen. Wir bilden uns ständig weiter, in und mit unserem Umfeld. Auch dazu hat Philippe Wampfler schon 2019 (Wie aus informellem Lernen professionelle Kompetenzen werden) geschrieben. Die Idee dahinter lässt sich leicht mit der Idee des Connectivism von George Siemens verbinden (dazu in einem späteren Blogpost einmal mehr). Wir lernen nicht (nur) alleine sondern mit und durch und aus unserem Umfeld, dem Netzwerk, das wir um uns aufbauen. Es liegt an uns, dieses Netzwerk aufzubauen und die Knotenpunkte des Netzwerks zu stärken. Wichtig ist aber, über Strategien zu verfügen, das Netzwerk aufzubauen. Hier kommen wieder die vier Dimensionen der Bildung ins Spiel, denn ich brauche für den Aufbau von Netzwerken u.a. auch Empathie und Resilienz.

Zwischen Tugend und VUCA

Gehen wir davon aus, dass die Welt VUCA ist, dann ist auch die Lösung VUCA – dazu habe ich schon gebloggt:

Dieses aus der Arbeitswelt stammende Paradigma ist mittlerweile auch auf den Bildungssektor übergeschwappt. Wenn die Welt sich ständig verändert, dann müssen auch wir in der Welt Lebenden im Fluss bleiben und die Veränderungen mitmachen, nicht aber ohne auch kritisch und aktiv zu sein. „Wer in die Fußstapfen anderer tritt, hinterlässt keine eigenen Spuren.“ Wir sollten Zusammenhänge mitdenken, Rahmenbedingungen abstecken, wir sollten unsere Erfahrungen teilen und mit anderen kommunizieren. Dabei sollten wir unsere Emotionen auch kontrollieren und unsere Worte sorgsam wählen, achtsam sein. Schreibe nicht, wenn du in Rage bist. Entscheide nicht, wenn du enttäuscht bist, antworte nicht, wenn du traurig bist. Stehe zu dem von dir Gesagten. Trau dich, deine Meinung zu sagen. Hab eine Meinung und steh zu ihr. Bilde dir deine Meinung, indem du verschiedene Perspektiven einnimmst. Vieles davon ist bereits in den Kardinaltugenden angelegt: Klugheit (Weisheit), Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung. [Wer nachlesen will, ein knapper Überblick findet sich auf Wikipedia.]

Kristin Narr hat 2018 ein schönes Interview gegeben, wie wir Medienerziehung leben können, wie wir Medienkompetenz aufbauen und den Aufbau begleiten können. Der Titel des Beitrags Medienerziehung vom Kind aus denken lässt sich meines Erachtens ausweiten: Medienerziehung vom Mensch aus denken. Nicht nur Kinder brauchen Medienerziehung und eine Begleitung im Auf- und Ausbau von Medienkompetenzen, sondern jede*r von uns braucht sie.

#EduPnx und #Twitterlehrerzimmer

Dies ist der Grund, warum ich gelebte Netzwerke, wie das #twitterlehrerzimmer oder auch die #EduPnx so schätze. Es sind meine lernenden und Lernnetzwerke, das sind jene Menschen, die mich mit ihren Ideen und  Erfahrungen, Gedanken und Ängsten begleiten und mir dabei helfen, mich und mein Handeln zu reflektieren. Sie ermöglichen mir, aus ihren und meinen Fehlern und auch Erfolgen zu lernen und zu wachsen. Und wie in jedem Netzwerk kann ich für mich entscheiden, wem ich mehr zuhöre und vertraue und wem weniger, wer mehr Spuren in mir hinterlässt und wer weniger.

Meine Tipps zum Netzwerkbilden habe ich im vorigen Spätherbst verbloggt, einiges davon gilt noch immer:

Veranstaltungshinweis

Wer sich zur kritischen Medienkompetenz „fortbilden“ will, sei auf den DigiTalk Digitales Know-how in aller Munde – kommt die kritische Medienkompetenz zu kurz? am 13. April um 13:00 Uhr von Erwachsenenbildung.at hingewiesen. Es sprechen Mit: Hakan Gürses (ÖGPB), Matthias Jax (Saferinternet/ÖIAT), Johanna Urban (Universität Wien/freiberufliche Trainerin) und Andre Wolf (Mimikama), die Anmeldung ist bis 12. April 2021 möglich, die Teilnahme kostenlos.

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